Am Ende treten Element Of Crime auf, und Sven Regener singt so versöhnlich, dass man den Dingen wirklich wieder zutraut, ihren Platz in der kosmischen Ordnung zu finden. In den vorangegangenen knapp 90 Minuten war das eher nicht der Fall. Da ging es drunter und drüber, und immer, wenn man dachte, es geht nicht verworrener, dann wurde es noch etwas verworrener. Das tat dem nicht verstehenden Geist eine Weile sehr weh, bis er dann verstand, dass es auf das Verstehen nicht ankommt. Es geht um das Sehen, um das Dabeisein. Und ums Lachen. So lapidar lustig wie dieser „Tatort“ war schon lange keiner mehr. Da müssen sich die Münsteraner warm anziehen.

„Das war der ‚Tatort‘ des Jahres“, sagte meine Frau direkt nach der Sichtung. Ich halte das für etwas gewagt, den ersten „Tatort“ des Jahres gleich als den besten zu nominieren, bin aber durchaus geneigt, diesem Stück tollem Fernsehen große Chancen einzuräumen, in der Jahresbilanz nicht ganz schlecht dazustehen.

Das liegt natürlich an der großartigen Nora Tschirner als Kira Dorn. Löst man die aus dem Til-Schweiger-Wohlfühlparadies, läuft sie zu ganz großer Form auf. So lapidar, wie sie diesen Film mit wenigen Sprüchen anschiebt, das hat Format.

Schon als sie mit ihrem von Christian Ulmen gespielten Partner Lessing den Kinderwagen spazieren führt und dann erfährt, dass es im Rathaus etwas zu ermitteln gibt, ist es ein großartiger Moment. „Hast du gehört, meine Kleine, wir haben einen Überfall“, nuschelt sie in den Kinderwagen hinein, und ab geht die Minna.

Im Rathaus finden sie eine tote Sekretärin. Die wurde durch eine Kugel aus dem Untergeschoss gemeuchelt. Dort hatte ein Maskierter die Stadtkasse überfallen und in die Decke geschossen. Genau über ihm saß aber das arme Mädchen. Erst ging ihrem Sitzball die Puste aus, dann ihr, was mehr komisch als traurig aussah. In Verdacht gerät der Kämmerer, der was mit der Sitzballbesatzerin hatte. Aber nicht nur mit der. Auf einem Rummelplatz, wo die Tüte mit der Beute kursiert, finden die Kommissare ein Bild, auf dem der Kämmerer auch zu sehen ist – als Gatte der Geisterbahnbesitzerin.

Das klingt verworren und ist es auch. Und es wird noch verworrener. Was sich die Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger da ausgedacht haben, kann nicht ohne die Einnahme bewusstseinserweiternder Mittel zustande gekommen sein, denkt man erst. Aber wenn sie das dann auflösen, bekommt all das vorher Verworrene rasch wieder seinen Platz in der logischen Kette zugewiesen. Vorher aber gilt, dass man immer wieder denkt, dass das nicht absurder werden kann. Doch. Geht. „Das kommt in meine Memoiren“, sagt irgendwann zwischendrin der Polizeichef, der aus dem Staunen nicht herauskommt.

Zu dem Witz, den der geniale Regisseur Richard Huber vor allem über die Figuren der beiden Kommissare entwickelt, kommt noch jede Menge Slapstick rund um den Uralt-Passat des Chefs. „Das Auto stirbt“, sagt Kira Dorn irgendwann. Das klingt so aufgeschrieben nicht wirklich lustig, aber so wie Nora Tschirner diesen Satz hinwirft, ist das ganz große Komik. Leider, und das ist der einzige Wermutstropfen, versteht man nicht nur die Handlung streckenweise schwer, auch das, was die Akteure so von sich geben, klingt mehrheitlich wie in der Til-Schweiger-Nuschelschule entwickelt. Aber der Umstand, dass man nicht alles gleich versteht, spielt rasch keine Rolle mehr, weil man sich das, was man verstehen muss, über die umgebenden Geschehnisse erschließen kann. So wie im Leben, wo man, wenn ein Weg nicht funktioniert, halt einen anderen wählt.

Wenn dann noch das keltische Horoskop eine Rolle spielt und ein Stoffkänguru über den Rummel hüpft und dann noch der wohl skurrilste Heiratsantrag der „Tatort“-Geschichte folgt, brechen endgültig die Dämme und die Erkenntnis, dass man diesen „Tatort“ wohl aus zwei Richtungen betrachten kann. Aus der einen liefert er GAK, also den größten anzunehmenden Klamauk, auf der anderen ist er ganz großes Komödienkino, dem die Erkenntnis folgt, dass es 2015 schwer haben wird, wenn es nach diesem Film noch mal lustiger werden will.