Stefan Cantz und Jan Hinter haben sich echt was vorgenommen für diesen neuen Münsteraner „Tatort“. Offenbar hat es die beiden Stammautoren der Erfolgsreihe gewurmt, dass sie immer häufiger als Schöpfer von Klamaukfilmen bezeichnet wurden. Sie seien dem platten Gag näher als dem eigentlichen Genre, dem Krimi. Das haben sich Stefan Cantz und Jan Hinter zu Herzen genommen und mal etwas ganz anderes geschrieben. Einen richtig verschachtelten Krimi, einen mit vielen Verdächtigen, mit etlichen Wendungen und einer witzig gemeinten Nebengeschichte.

In der Nebengeschichte spielen die Kommissare Frank Thiel und Karl-Friedrich Boerne ein schwules Ehepaar. Boerne hat das so arrangiert, weil er scharf ist auf das Erbe eines todkranken Onkels. Bei dem glaubt er punkten zu können mit seinem Lebenspartner. Also sind Thiel und Boerne jetzt schwul und müssen Ehe spielen. Thiel will das nicht, aber weil ihm Boerne gleich zu Anfang per Luftröhrenschnitt das Leben gerettet hat, steht er in der Schuld des überkandidelten Pathologen.

Das mit dem Ehe spielen gelingt leider nur mittelgut, denn schließlich spielen die beiden schon seit einer gefühlten Ewigkeit Ehe. Sie sind das ewige Odd-Couple, das sich beharkt, bekriegt und miesepetrig anranzt. Obwohl sich die beiden eigentlich mögen, tun sie so, als sei der andere das Schlimmste, was ihnen das Leben in den Weg stellen konnte. So etwas noch einmal toppen zu wollen, indem man auf die ursprüngliche Konstellation noch einmal die gleiche Konstellation oben drauf packt, kann nicht funktionieren. So wirken etliche der Szenen, in denen Thiel und Boerne schwul tun sollen, nur albern, was ein bisschen auch daran liegen mag, dass die Rolle des schwulen Erbonkels mit Christian Kohlund denkbar falsch besetzt ist. Man kennt Kohlund aus diversen Degeto-Schmonzetten, und genau dort passt er hin. Taucht er irgendwo anders auf, infiziert er auch die neue Umgebung sofort mit diesem alten Degeto-Ruch.

Noch schlimmer wird es bei der Hauptstory. Die haben sich Stefan Cantz und Jan Hinter sehr fein ausgedacht, mit vielen Verästelungen und mit manchem Irrweg. Da wird ein Südamerikaner tot aufgefunden mit durchschnittener Kehle. Er hatte zu tun mit sehr teuren Weinen und zufällig auch mit Boernes Erbonkel. 

In Münster hängt halt alles mit allem zusammen. Jeder kennt jeden, und so verwundert es nicht weiter, dass im weiteren Verlauf die inzwischen zur Kommissarin geadelte Ex-Assistentin Nadeshda Krusenstern einen auf die Nase bekommt und im Krankenhaus zufällig neben die dauerpaffende Staatsanwältin zu liegen kommt. Gleichzeitig mischt auch Thiels Vater, der kiffende Taxifahrer schwer mit. Er fährt den schwulen Erbonkel, und er hat gute Beziehungen zu einer Taxikollegin, der es kurz danach sehr dreckig geht, was auch mit dem Fall zu tun hat.

Regisseur Kaspar Heidelbach hat sich nach Kräften bemüht, aus dem Drehbuchdurcheinander einen einigermaßen stringenten Film zu formen. Allein, es ist ihm nicht gelungen, denn er hat keine Chance, die verschachtelten Handlungsstränge irgendwie durch Bild zu erklären, er muss die Akteure in einem fort reden lassen.

Und so reden und reden sie. Mal durcheinander, mal hintereinander, aber sie reden halt, und nichts ist im Fernsehen langweiliger als redende Menschen. Fernsehen ist ein Bildermedium, und wenn man Dinge nicht ins rechte Bild zu setzen vermag, sollte man besser Radio machen.

Nichtsdestotrotz wird „Erkläre Chimäre“ ein schöner Erfolg werden, weil die Menschen halt gerne Münster-“Tatort“ gucken, unabhängig vom Inhalt. Wahrscheinlich könnten Boerne und Thiel auch auf einer Bank sitzen und Schäfchen zählen, es würde für den Tagessieg immer noch reichen und es gäbe immer noch Menschen, die das lustig fänden. Ein guter Film sieht indes anders aus.