Lange schon nicht mehr war in einem „Tatort“ so schnell klar, wer das Opfer auf dem Gewissen hat. Es ist ein älteres Ehepaar, dessen Tochter vor über 15 Jahren von zwei Männern ausdauernd vergewaltigt und dann getötet wurde. Die Eheleute schnappen sich den frisch aus der Haft entlassenen Täter und foltern ihm den Namen des anderen ab. Dann töten sie ihn und machen sich auf die Jagd nach dem anderen. Doch da kommen ihnen die Stuttgarter Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) in die Quere. Die holen nach, was die Polizei einst versäumte und verhaften den zweiten Mann.

Damit könnte dieser „Tatort“ schon nach kurzer Distanz zu Ende gehen, aber da geht er erst richtig los, denn die traumatisierten Eltern wollen nicht hinnehmen, dass ihr Schmerz nur von einem normalen Gericht gesühnt werden soll. Sie nehmen die Sache selbst in die Hand. Sie wollen den Tod des zweiten Täters. Und dann wollen sie ihrem einst zerstörten Leben ein Ende setzen. Um nun an den zweiten Mann zu kommen, entführen sie die Tochter von Kommissar Bootz.

Es ist eine verteufelte Zwickmühle, die Autor Holger Karsten Schmidt da auf und zu schiebt. Eben noch hat Bootz den verbohrten Eltern erklärt, dass der Fall ihrer Tochter bei der Polizei in besten Händen ist und dass sie auf den Rechtsstaat vertrauen sollen. Doch als er erfährt, dass sie seine Tochter haben, verliert er selbst das Vertrauen, das er eben noch angemahnt hat. Er will den Fall auf eigene Faust lösen, seine Tochter gegen den zweiten Täter austauschen, wohlwissend, dass den dann nichts anderes als der Tod erwartet. Also verschweigt er den Kollegen, was ihn plagt.

Roland Suso Richter hat diesen Film inszeniert, und der erfahrene Spezialist für spektakuläre Dinge („Der Tunnel“, „Dresden“, „Mogadischu“) lässt nicht nur dem freien Spiel der bösen Kräfte ihren Lauf, er hat ganz offensichtlich auch seinen Kameramännern Jürgen Carle und Christoph Schmitz sehr freie Hand gewährt. Besonders am Anfang wirkt so jedes Bild ungeheuer tief, aufgeladen mit Bedeutung.

Da streift die Kamera betont langsam über den künftigen Tatort, über einen Abfluss, medizinische Gerätschaften, eine tote Maus in der Ecke. Jede Menge Drama steckt in dieser bewussten Verlangsamung. So schafft man Spannung.

Leider kann die Kamera nicht alles retten in diesem Film, der unter einem großen Fehler leidet. Als nämlich Kommissar Bootz zum Einzelkämpfer auf der Suche nach seiner Tochter wird, darf Felix Klare seinem Affen viel zu viel Zucker geben. Overacting scheint die Anweisung gelautet zu haben, und genau diesem Imperativ folgt der Schauspieler. Leider wirkt das beinahe lächerlich und droht diesem bemerkenswerten Fall die Substanz zu rauben. Dazu kommen Ungereimtheiten, die mehrfach dazu angetan scheinen, diesem „Der Preis des Lebens“ betitelten Film die Bedeutung zu nehmen.

Aber dann geht doch noch alles gut, zumindest für den Fernsehkrimi. Für die handelnden Figuren kann man hingegen kaum noch von gut und schlecht sprechen. Hier wird an Existenzen geknabbert, hier wird das Sein in Frage gestellt, es geht an die Grundfesten dessen, was die Menschen glauben wollen.

Gerade diese Grundsatzfragen in Verbindung mit den exzellenten Bildern machen diesen Stuttgarter Fall zu einem leidlich spannenden Erlebnis. So nachhaltig war man von den Stuttgartern lange nicht mehr beeindruckt.