In einem Punkt spricht die gesamte Medienbranche mit einer Stimme: Es muss schnell gehen. Gemeint sind von der Politik geforderte Impulse, um den Film- und Medienstandort Deutschland wieder zu beleben. Viele Medienhäuser haben mit Problemen zu kämpfen - und viele machen dafür auch die Medienpolitik verantwortlich, die etwa seit Jahren eine Reform der Filmförderung verspricht, bislang aber nichts konkretes auf die Straße gebracht hat, von dem die Branche profitieren würde. In der genauen Ausgestaltung der Impulse, die die Politik geben soll, sind sich Sender und Streamer auf der einen und Produktionsfirmen und Dienstleister auf der anderen Seite aber uneinig. 

Seit vielen Monaten wird über eine Investitionsverpflichtung gesprochen, die von Union und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer setzt mittlerweile aber lieber auf Selbstverpflichtungserklärungen von Sendern und Streamern und begründet das auch mit der Dringlichkeit, weil eine gesetzliche Regelung wohl noch viel länger dauern würde, bis sie in Kraft wäre. Die Unternehmen, die eine solche Regelung betrifft, sollen einen Teil ihres in Deutschland erwirtschafteten Umsatzes auch wieder hier investieren - das ist der Plan. Am Donnerstag wird das Thema im Koalitionsausschuss der Bundesregierung sein - denn nicht einmal innerhalb der Regierung ist man sich einig. 

Die SPD stellte sich zuletzt öffentlich auf die Seite der Produzentinnen und Produzenten und forderte eine gesetzliche Regelung statt Selbstverpflichtungserklärungen. Dort nennt man das Vorgehen von Wolfram Weimer "politisch verantwortungslos" und verweist auf die prekäre Lage in der Produktionsbranche. Mit der SPD und speziell Finanzminister Lars Klingbeil wäre dann am Donnerstag auch zu klären, ob der Sperrvermerk, der auf der Verdopplung der Filmförderung liegt, aufgehoben wird, wenn man nun tatsächlich erst einmal auf Selbstverpflichtungen der Streamer und Sender setzt. Zur Erinnerung: Im Juli wurde entschieden, dass die Filmförderung von 133 auf 250 Millionen Euro angehoben wird - aber erst, wenn eine Investitionsverpflichtung eingeführt wurde. Bis dahin bleiben 120 Millionen Euro durch den Finanzminister gesperrt.

Die Zahlen: Was haben die Streamer zugesagt?

Die Aussagen aus höheren SPD-Kreisen machten zuletzt nicht den Eindruck, als würden sich die Sozialdemokraten mit vagen Versprechen von Streamingdiensten und Sendern zufrieden geben. Die aus einem BKM-Papier durchgesickerten Zahlen lesen sich auf den ersten Blick tatsächlich imposant: So werden zwischen 2026 und 2030 zugesagte Investitionen in Höhe von insgesamt rund 15,5 Milliarden Euro erwartet, davon entfällt aber der überwiegende Teil auf öffentlich-rechtlichen und privaten deutschen Anbieter, die ohnehin schon Jahr für Jahr Milliarden-Summen in deutsche Produktionen investieren.

Im Streaming-Bereich belaufen sich die Zusagen auf lediglich 1,83 Milliarden Euro - auch hier bezieht sich die Summe auf einen Zeitraum von fünf Jahren. Aufs Jahr umgerechnet sind das rund 366 Millionen Euro - und damit kaum mehr als die 336 Millionen Euro, die laut einer Goldmedia-Studie bereits 2022 investiert wurden. Die verschiedenen Player wuchsen seither oft dynamisch - in den versprochenen Investitionen für die kommenden Jahr schlägt sich diese Entwicklung aber offensichtlich nicht nieder. Die Produktionsallianz rechnet mit einer geschätzten Wachstumsrate von 7,9 Prozent - und kommt damit auf Investitionen in Höhe von 2,58 bis 3,88 Milliarden, die von den Auftraggebern geleistet werden müssten (je nach dem, wie hoch eine gesetzliche Investitionsverpflichtung ausfallen würde). 

Die Produktionsallianz hat sich in den zurückliegenden Wochen zur größten Kritikerin der Pläne von Wolfram Weimer aufgeschwungen. Und die Lage scheint aus Sicht des Verbands sehr ernst zu sein, die mittlerweile vorherrschende Wortwahl ist jedenfalls alles andere als zurückhaltend. Als vor wenigen Tagen die Zahlen zu den Selbstverpflichtungserklärungen durchsickerten, sprach man bei der Produktionsallianz von einer "Mogelpackung". Mit den Plänen von Weimer werde der Koalitionsvertrag nicht erfüllt und der Filmstandort nicht gestärkt, hieß es. "Im Gegenteil. Deutschland wird ohne eine gesetzliche Regelung im internationalen Wettbewerb weiter abgehängt."

VAUNET kritisiert Produktionsbranche 

Die Produktionsallianz fordert weiterhin eine gesetzliche Investitionsverpflichtung - und ist damit nicht allein. Bereits vor Wochen Wochen taten sich mehr als 40 Verbände zusammen und verwiesen unter anderem darauf, dass die Zusagen der Streaminganbieter und Sender rechtlich nicht bindend seien. Kritisiert wird außerdem immer wieder, dass die Zusagen intransparent seien und unklar sei, wie genau die Kontrolle durchgeführt werden soll. PROG Producers of Germany sprach angesichts der Selbstverpflichtungen für Investitionen zuletzt von einer "Bankrotterklärung". 

Angesichts der teils hitzigen Debatte meldete sich zuletzt auch der Privatsenderverband VAUNET mit einer außergewöhnlichen Stellungnahme zu Wort. Der Verband ist bekanntlich für die Selbstverpflichtungen, eine gesetzliche Regelung, in welcher Höhe auch immer, würde die Mitgliedsunternehmen wohl deutlich härter treffen. Kritik vor allem aus der Produktionsbranche watscht der VAUNET als "Artikulation von Partikularinteressen" ab. Die Grenzen einer seriösen inhaltlichen Debatte würden bewusst überschritten, heißt es. 

Gut möglich, dass sich der Privatsenderverband damit auf eine Kampagne der Produktionsallianz bezieht, bei der unter dem Titel "Broken Promises? - Gebrochene Versprechen?" Wolfram Weimer, Lars Klingbeil und Friedrich Merz in Filmplakat-Optik in Szene gesetzt wurden. Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des VAUNET, sagt nun, das von Weimer vorgeschlagene Modell sei "wegweisend". Es sei nicht die Aufgabe der Politik, "nur Einzelinteressen der Produzenten zu verfolgen". In der Produktionsbranche wird man das mit einem gewissen Befremden zur Kenntnis genommen haben, sind die Sender und Streamer doch auch nur ein Teil der Branche - VAUNET vertritt streng genommen auch Partikularinteressen.

Widersprüchliche Signale von Weimer

Hinzu kommt, dass sich Produktionsfirmen und Dienstleister in der Debatte nicht einig sind. Der Verband technischer Betriebe für Film und Fernsehen VTFF ist anderer Meinung als Produktionsallianz & Co. - aus guten Gründen. Den Produktionsfirmen kann es eher egal sein, wo sie produzieren - die technischen Betriebe sitzen mit ihren Studios in Deutschland und leiden darunter, wenn Produktionen ins Ausland abwandern. Mit dieser Argumentation wird der VTFF auch von der Politik gehört.

VTFF-Geschäftsführer Achim Rohnke weist darauf hin, dass eine gesetzliche Investitionsverpflichtung nach EU-Recht nur Produktionsumsatz irgendwo in Europa schaffen werde, nicht aber unbedingt in Deutschland. "Das liegt überhaupt nicht im Interesse der technisch-kreativen Dienstleister. HIER stehen unsere Studios und Virtual Production Units, HIER werden Postproduktions- und VFX-Suiten betrieben, HIER sind die Rentals", sagt er. Beim VTFF befürwortet man deshalb Selbstverpflichtungen von Sendern und Streamern - aufgrund der Dringlichkeit zeigte man sich zuletzt aber auch für eine gesetzliche Regelung offen. Hauptsache sei, dass die neue Regelung ab Januar 2026 gelte - eine gesetzliche Investitionsverpflichtung ist bis dahin aber nicht mehr umsetzbar.

Und Wolfram Weimer? Von dem kamen in den zurückliegenden Wochen durchaus widersprüchliche Aussagen. Einerseits nahm der Kulturstaatsminister die Argumentation des VTFF auf und sagte, mit Blick auf die Arbeitsplätze wiege das Argument des Verbands schwer. Weimer erklärte auch, dass er verfassungsrechtliche Probleme erwarte, sollte man Konzerne gesetzlich dazu verpflichte, einen Teil ihrer Umsätze wieder zu investieren. "Wir würden wahrscheinlich juristisch scheitern, da muss man der Wahrheit ins Auge sehen", sagte Weimer (DWDL.de berichtete). Gleichzeitig betonte er immer wieder, dass die gesetzliche Investitionsverpflichtung nicht vom Tisch sei. Wenn man sehe, dass die Selbstverpflichtungen nichts brächten, könnte man als Gesetzgeber immer noch eingreifen. 

Es scheint, als gäbe es am Donnerstag im Koalitionsausschuss viel zu besprechen. Und wie auch immer am Ende die Lösung aussehen wird: Einen Teil der Branche wird man damit ganz sicher vor den Kopf stoßen.

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