
Das "Handelsblatt" berichtet am Mittwoch über einen vermeintlichen Einzelfall aus Großbritannien, der für ein Erdbeben in der europäischen Fernsehlandschaft sorgen könnte. Konkret geht es um die Frage, ob eine britische Wirtin in ihrem Pub statt dem in Großbritannien teuer angebotenen PayTV-Angebot von BSkyB nicht auch das deutlich günstigere griechische PayTV abonnieren kann. So wollte sie ihren Gästen weiterhin die Übertragungen der Spiele der englischen Premiere League bieten.
Doch die Liga war alles andere als begeistert und klagte. Der Londoner High Court hat diesen und einen ähnlichen Vorfall inzwischen an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht. Das Thema könnte damit zum Politikum werden. Auch weil EU-Medienkommissarin Viviane Reding die territorialen Grenzen beim Urheberrechtsschutz in Europa in Frage stellen will, wie das "Handelsblatt" sie zitiert. Konkret geht es um die Frage, ob ein Medienrecht in Europa jeweils national oder nicht grundsätzlich europaweit vergeben werden muss.

Reding spricht sich für einen EU-Binnenmarkt der medialen Inhalte aus. Für eine stärkere Integration der Märkte für audiovisuelle Dienste. Es gebe 27 nationale Regelungen für den Urheberschutz. Dies führe laut Reding dazu, dass Lizenzen national und nicht für die gesamte EU vergeben würden. Ob das allerdings wünschenswert wäre? Es würde den Wettbewerb vermutlich hemmen statt fördern und gleichzeitig zu erheblichen Unsicherheiten führen, was die Erlösmöglichkeiten und damit letztlich den finanziellen Wert von Medienrechten angeht. Wer sollte überhaupt Abnehmer für europaweite Fernsehrechte sein? Selbst die beiden größten privaten TV-Konzerne Europas decken längst nicht alle Länder ab. Sie müssten entweder für Rechte bezahlen, die sie nur zur Hälfte verwerten können oder den Preis in, für die Rechteinhaber inakzeptable Regionen drücken.

Deshalb bleibt aus Sicht der Sender wie auch Rechteinhaber nur eine Option angesichts von Redings Plänen für europaweite Lizenzvergaben: Die Beschleunigung der Debatte um eine Grundverschlüsselung. Es wirkt wie ein Anachronismus, dass in Zeiten des grenzenlosen Internets somit nationale Grenzen abgesteckt werden müssen. Doch bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Diese Grenzen gibt es auch im Internet bei Angeboten mit hochwertigen Rechten. Wichtig ist aber: Es stellt mit Sicherheit keine endgültige Lösung dar und aus Sicht des Konsumenten ist es keine bevorzugte Lösung.
RTL-Chefin Anke Schäferkordt wird der Vorstoß aus Brüssel jedoch indirekt freuen. Wie die vom "Handelsblatt" zitierte ProSiebenSat.1 Media AG oder Rechtehändler Herbert Kloiber wird man sich auch in Köln über Redings Pläne erregen. Doch sie liefern indirekt eben auch die besten Argumente für eine schnelle Verschlüsselung der eigenen Programme, um grenzüberschreitenden Empfang zu unterbinden, die nationalen Fernsehmärkte zu schützen und den Fragen, die sich durch den Fall in besagtem britischen Pub aufgeworfen haben, erstmal aus dem Weg zu gehen. Denn nur so lässt sich weitgehend verhindern, dass es an einem Ort nicht zwei Anbieter der gleichen Lizenzprogramme gibt.

Doch eines sollte auch allen klar sein: Die Verschlüsselung wäre nur eine Zwischenlösung. Langfristig gesehen wird es immer schwieriger bis irgendwann unmöglich, in einer auch medial globalisierten Welt noch solche Schutzmaßnahmen aufrecht zu erhalten. Derzeit aber würden sie ein Erdbeben in der Medienlandschaft verhindern, welches nicht einmal zwingend niedrigere Preis, also Vorteile für die Verbraucher mit sich bringen würde.