Elke HeidenreichMit litcolony.de ging heute ein neues Internetportal an den Start, das als soziales Netzwerk rund um das Thema Literatur etabliert werden soll. Die Voraussetzungen, unter denen das neue Prokekt startet, sind durchaus günstig: Hinter dem Angebot stecken die Macher der LitCologne, dem überaus erfolgreichen Literatur-Festival, das einmal im Jahr in Köln stattfindet.

Doch auch über den Literatur-Betrieb hinaus war der Pressekonferenz, die am heutigen Freitag im Kölner Hotel im Wasserturm stattfand, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit gewiss, denn geladen hatten findigerweise nicht die eher in der Buch-Szene bekannten Macher der LitCologne, sondern Elke Heidenreich, die nach ihrem auf beiden Seiten trotzig anmutendem Rauswurf beim ZDF vor wenigen Wochen angekündigt hatte, es gehe weiter mit ihrer Sendung "Lesen!" - wann und wo solle an diesem Freitag erklärt werden.
 

 
Dem ZDF gehört nichts
 
Und so waren rund 60 Journalisten aus Fach- und Klatschpresse am Freitag in Köln versammelt, als litcolony.de der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und Heidenreich einen Einblick in das neue "Lesen!" gab. "Lesen die 38." eröffnet die Moderatorin die neue Web-Sendung. Damit zeigt sie, dass es sich bei dem ehemaligen ZDF-Format um ihre eigene Entwicklung gehandelt hat, an die nun nahtlos angeknüpft werden soll. "Ich habe das mit den Justitiaren des ZDF geklärt: Denen gehört von diesen ganzen Ideen gar nichts", erklärt Heidenreich.
 
Auf ihre unehrenhafte Entlassung beim ZDF will Heidenreich nicht mehr eingehen. So zumindest leitet sie die weiteren Ausführungen ein, bei denen sie auf ihre unehrenhafte Entlassung beim ZDF eingeht. "Wir haben fünfeinhalb Jahre gut zusammen gearbeitet. Ich hatte sechs Sendungen im Jahr, jede weitere war ein Riesentheater". Auch um die Sendezeit habe es immer wieder "Theater" gegeben. "Das ZDF ist einfach ein Sender mit ganz festgefahrenen Strukturen, wo seit Jahren die selben Sachen zu den selben Uhrzeiten laufen, und es ist ganz schwer da rein zu kommen". Heidenreich habe sich einen früheren Sendeplatz gewünscht, um auch die "normalen" Menschen abseits des "FAZ"-Feullietons zu erreichen.
 
Darf jetzt auch "Fick Dich doch ins Knie" sagen
 
Den Rausschmiss beim ZDF bezeichnet Heidenreich als "vollkommen idiotisch", denn sie habe bereits zuvor gekündigt gehabt. "Zweitens fand ich das völlig überzogen, das hätte eines Gesprächs bedurft. Gut. Dann war das erledigt, war mir egal", so Heidenreich. Über Marcel Reich-Ranicki, der sie nach ihrer Schmähkritik am Deutschen Fernsehpreis und dem ZDF rügte, "ist überhaupt kein Wort mehr zu verlieren", sagte Heidenreich in Köln. Und dabei blieb es dann tatsächlich. Als "vielleicht zugegeben etwas zu krass" bezeichnet die Autorin und Moderatorin ihre geäußerte Kritik - auch wenn es ihr nicht leid tue, so hätte man es vielleicht freundlicher formulieren können, sagt sie.

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Als große Befreiung gegenüber den Sachzwängen beim ZDF empfindet Heidenreich die Möglichkeiten des neu entdeckten Mediums Internet-TV: Keine Sendezeitbegrenzung, kein Programmdirektor, keine Auflagen. "Ich darf auch mal sagen 'Fick dich doch ins Knie' - das kam nämlich gerade in einem Buch vor. Das muss man dann zitieren und das hätte ich im ZDF nicht gedurft", erklärt Heidenreich.
 
Befreiung: Kein Jodeln, kein Kochen, kein Kerner
 
Erhöht wird durch das Internet auch der Turnus der Sendung. Statt sechsmal im Jahr wird es "Lesen!" nun monatlich geben - und zusätzlich mit der Möglichkeit, jederzeit Sondersendungen zu produzieren und zu verbreiten, wie es beliebt. Und noch einen Vorteil benennt Heidenreich: "Vor mir kein Jodeln, nach mir kein Kochen", sagt sie und ist froh, künftig nicht mehr den auf ihre Sendung folgenden Johannes B. Kerner ansagen zu müssen.

Ob es einen festen Termin für die Verbreitung gibt, steht noch nicht fest und wird während der Pressekonferenz diskutiert. Produziert wird jeweils in der ersten Woche des Monats. Aber bei der Verbreitung, nein, da will man sich nicht festlegen - man will sich nicht direkt wieder in allzu feste Strukturen binden mit der neugewonnenen Freiheit abseits der ZDF-Bürokratie. Pläne, die Sendung im Fernsehen einer Zweitverwertung zuzuführen, gibt es derzeit nicht. Und wenn, dann wüsste man auf Grund des kulturellen Desinteresse des deutschen Fernsehens derzeit ohnehin nicht wo.
 
Irgendwann explodiert
 
Die Spekulation, Heidenreichs Aus beim ZDF sein ohnehin besiegelt gewesen, da sie plane mit dem Verlag Random House ein Joint Venture rund um das Thema Musik zu starten, räumte Heidenreich aus. Ja, diese Überlegung habe es gegeben, sie sei aber von ihr schnell wieder verworfen worden und geriet dennoch in die Presse. Sie habe kein Verleger-Dasein führen wollen und sah zudem einen Interessenkonflikt bei ihrer Tätigkeit als Buchempfehlerin auf sie zukommen. Statt dessen wird es im kommenden Jahr eine eigene entsprechende Buchedition geben.

Nachdem das ZDF Heidenreichs mehrfach geäußertem Wunsch nach einem früheren Sendetermin für "Lesen!" nicht entsprochen habe, und auch weitere Termine für 2009 nicht in Aussicht waren, sei sie "explodiert" und habe gesagt "dann höre ich am Jahresende auf". Dann kam der Deutsche Fernsehpreis. So erklärt Heidenreich das Ende von "Lesen!" im ZDF und damit den Anfang ihres Formats bei litcolony.de.