Spricht man mit Vertretern von RTL, dann hat man bisweilen den Verdacht, dass ihnen der Erfolg des eigenen Senders in diesen Monaten selbst nicht ganz geheuer ist. Und in der Tat: Jahrelang hörte man nur, große Sender müssten aufgrund der Digitalisierung und der mit ihr einher gehenden immer stärkeren Auffächerung des Sender-Angebots zwangsläufig an Boden verlieren. Und dann sanierte RTL seinen Nachmittag und setzte zu einem kaum für möglich gehaltenen Höhenflug an, der im Januar dank Dschungel-Schub mit 21,2 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe gipfelte. Doch auch im Mai liegt RTL bislang bei stolzen 20,0 Prozent Marktanteil.

Das Dämpfen der Erwartungshaltung ist daher bei RTL schon seit langem erste Bürgerpflicht. Schließlich sei das überaus hohe Quoten-Niveau derzeit eher eine Ausnahme-Erscheinung, die nicht dauerhaft Bestand haben könne. Ins gleiche Horn stößt nun erneut auch RTL-Chefin Anke Schäferkordt in einem Interview mit der "Zeit". Auf die Frage, ob RTL sich denn aus Quotensicht überhaupt noch steigern könne, antwortet sie "Nein, wahrscheinlich nicht." Schließlich gebe es auch kaum einen Sendeplatz, auf dem man noch nicht Marktführer sei.

 

 

Schäferkordt mahnt daher: "Wir müssen vor allem realistisch bleiben. Damit die eigene Erwartungshaltung und auch die der Gesellschafter nicht zu hoch ist. Das Managen von Erwartungshaltungen ist im Moment mit das Wichtigste." Den derzeitigen Vorsprung auf die Konkurrenz - im April lag RTL 7,4 Prozentpunkte vor dem zweitplatzierten ProSieben - werde man nicht halten können. "Angesichts unseres derzeitigen Erfolgs sind wir in einer Verteidigungshaltung. auch wir werden unsere Baustellen im Programm bekommen und daraus lernen müssen", so die RTL-Chefin. Bange sei ihr deswegen aber nicht: "Darin waren wir immer am besten: aus Fehlern zu lernen."

Immer wieder geäußerte Kritik am Programm weist Schäferkordt unterdessen einmal mehr zurück - auch wenn sie für sich selbst vielleicht manche Sendung anders produzieren würde. "Es gibt bestimmte Sachen, die nicht mein persönlicher Geschmack sind, die aber auch nicht nur für mich produziert werden." Fickfrosch Freddy, mit dem in den "DSDS"-Castings Kandidaten zusätzlich bloßgestellt werden sollten, sei beispielsweise auch nicht ihr "persönlicher Favorit" gewesen. "Aber ich distanziere mich deshalb nicht von unserem Format", so Schäferkordt. Die Zielgruppe, für die es gemacht sei, habe es extrem angesprochen. Und an den Interviewer der "Zeit" gerichtet: "Wenn wir Fernsehen für Sie machen würden, würden wir dem, was wir wollen, nicht mehr gerecht werden. Wir würden Fernsehen für eine kleine, relativ elitäre Gruppe machen. Solche Sender gibt es ja bereits."

Sie selbst würde übrigens in keiner der RTL-Sendungen mit machen. Nicht im Dschungelcamp und auch nicht in einer Castingshow. "Ich habe angemessenes Feedback, das besagt, dass ich nicht singen kann", so die RTL-Chefin. Auch bei der kürzlich sehr erfolgreichen Dokusoap "Undercover Boss" würde sie sich nicht bewerben. Zwar wäre es sicher interessant, aber sie würde sich dabei nicht mit der Kamera begleiten lassen. "Mich drängt es nicht auf den Bildschirm. Auch wenn ich hoch verschuldet wäre, was ich zum Glück nicht bin, würde ich vielleicht einen Schuldnerberater aufsuchen, aber sicher keinen vor der Kamera."