Es ist eine Aufregung, die mit fast ebenso schöner Regelmäßigkeit hochkocht wie die Aufregung über die vermeintlich menschenverachtende Behandlung der Casting-Kandidaten bei "DSDS": Über sein quasi-offizielles Sprachrohr "Bild" meckert Dieter Bohlen, dass der Song "Call my name" von "DSDS"-Sieger Pietro Lombardi ebenso wie von der "DSDS"-Zweiten Sarah Engels von den ARD-Radios quasi systematisch boykottiert werde.

So sei der Song weder in den Wellen des WDR, noch des SWR, des NDR oder des BR gespielt worden und das, obwohl die beiden Songs Platz 1 und 2 der aktuellen Charts belegen - wobei dazu wohl auch der Dumpingpreis beiträgt, für den "Call my name" etwa bei Amazon angeboten wird. Mit gerade mal 39 Cent statt der sonst üblichen 98 Cent schlägt er dort auch heute noch zu Buche. "Wir könnten 500 Jahre auf Nummer 1 sein, die ARD würde uns trotzdem nicht spielen. Das empfinde ich über alle Maßen als unfair", wettert Bohlen in "Bild".

Bohlen wittert ein "Meinungsdiktat" und erhält Unterstützung von diversen Politikern. FDP-Mann Burkhard Müller-Sönksen lässt sich mit den Worten "Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen die Nr.1-Hits ihren Hörern nicht vorenthalten" zitieren, CDU-Mann Jarzombek sieht ein "Nachtreten gegen die erfolgreiche private Konkurrenz", Stephan Mayer von der CSU fordert, dass "der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Geschmack der Hörer respektieren" müsse und folgert daraus eine "Pflicht, auch 'DSDS'-Songs zu spielen." Fragt man bei ihm nach, woraus er diese vermeintliche "DSDS-Pflicht" ableitet, stellt sich schnell heraus, dass von einer tatsächlichen Verpflichtung nicht die Rede sein kann. Vielmehr halte er es auch ohne rechtliche Pflicht einfach für geboten, den "Geschmack der Mehrheit" nicht zu ignorieren. Und dieser manifestiere sich schließlich in den Charts.

Beim WDR sieht man das ein wenig anders. Chartspositionen würden bei der Musik-Auswahl grundsätzlich kaum eine Rolle spielen, erklärt man dort auf DWDL.de-Anfrage. "Die Verkaufszahlen der aktuellen Charts sind im Vergleich zu den 8,5 Millionen Hörerinnen und Hörern, die das WDR Radio täglich allein in Nordrhein-Westfalen erreicht, so gering, dass diese nicht unbedingt etwas über die Beliebtheit eines Künstlers aussagen", so eine WDR-Sprecherin. Stattdessen entscheide man durch ein "unabhängiges, nach musikjournalistischen Kriterien erstelltes redaktionelles Verfahren" über die Auswahl der Hits.

Ob der Song nun von Dieter Bohlen produziert oder von "DSDS"-Kandidaten vorgetragen wurde, spiele dabei keine Rolle. "DSDS ist für die WDR-Hörfunkprogramme kein Ausschlusskriterium", heißt es vom WDR, zumal Songs der ehemaligen "DSDS"-Sieger Tomas Godoj oder Tobias Regener sehr wohl lange bei 1Live und WDR 2 gespielt wurden. Mark Medlock sei heute noch regelmäßig bei WDR 4 zu hören. Und warum taucht dann Pietro Lombardi nicht beim WDR auf? "Der aktuelle DSDS-Gewinnersong wird nicht gespielt, weil er nach redaktioneller Prüfung nicht in das Musikprofil der einzelnen Wellen passt", heißt es in der Stellungnahme.

Update: Inzwischen meldete sich auch Wolfgang Schmitz, Vorsitzender der ARD-Hörfunkkommission zu Wort. Er weist darauf hin, dass "Call My Name" sehr wohl von diversen ARD-Sendern gespielt werden, etwa auf hr3, You FM, Antenne Brandenburg, N-Joy  oder SR 1 Europawelle. Zudem würden viele Radio-Wellen Pietro Lombardi sogar ins Studio einladen. So sei er am Mittwoch beim HR zu Gast gewesen, am Freitag wird er bei Bayern 3 zu Gast sein. "Schon dadurch wird klar: es ist Unfug, dass Siegerlieder von DSDS seit Jahren von der ARD boykottiert werden." Und auch er weist darauf hin, dass es keinen Automatismus gibt, dass chartrelevante Titel gespielt werden müssen. "Gebührenfinanziertes Radio ist unabhängig. Das gilt für Songs internationaler Pop-Stars ebenso wie für deutsche Produktionen – egal von wem", so Schmitz.