Es ist immer eine Frage der Perspektive. Als VOX-Geschäftsführer Frank Hoffmann am Dienstagnachmittag im Rahmen des Agentur- und Werbekunden-Screenings "Primetime - IP vor Ort" sein Programm für die kommende Saison vorstellte, begann er mit einer Positionsbestimmung, die Eindruck machte. Nur 0,2 Prozent Marktanteil trennen ProSieben und VOX derzeit. Zumindest dann, wenn man die Reichweite beim Gesamtpublikum betrachtet. Auch in der Referenz-Zielgruppe der 20- bis 59-Jährigen ist der Abstand gering, was angesichts des jungen Publikums von ProSieben nicht überrascht.

Bei den 14- bis 49-Jährigen hingegen hat ProSieben noch einen deutlichen Vorsprung vor VOX. Doch mit den am Dienstag vorgestellten Programmen zeigte Geschäftsführer Frank Hoffmann deutlich, dass man es mit dem Erfolg von "X Factor" im Rücken wissen will und zum zweiten Mal den Angriff auf ProSieben wagt. Einen entscheidenden Beitrag dazu soll nach Jahren der Experimente auch ein stabiles, eigenproduziertes Nachmittagsprogramm liefern. Von 13 bis 15 Uhr setzt VOX künftig auf zweistündige Formate, die ausführlicher erzählen. Um 15 Uhr folgen einstündige Formate.

Für diese Programmschiene wie auch den Vorabend sind zahlreiche neue Eigenproduktionen in Arbeit. Etwa die etwas andere Makeover-Dokusoap "Biete Rostlaube, suche Traumauto" oder die Rechtsstreit-Dokusoap "Verklag mich doch". In der Primetime ergänzen zwei neue Krimiserien das Programmangebot von VOX in der nächsten Saison: Schon bekannt war, dass man sich die US-Serie "Rizzoli & Isles" gesichert hatte. Am Dienstag kündigte VOX auch die kanadische Krimiserie "King" an. Soweit lagen die Programmankündigungen im Bereich des Erwartbaren. Doch im Bereich Show verblüffte VOX-Chef Hoffmann.

Gerade erst hatte sein Sender angekündigt, ab Oktober die neugeschaffene Stelle des Executive Producer Show mit Thomas Wißmann zu besetzen. "Ich freue mich sehr darauf weitere große Showformate für den Sender umzusetzen", sagte der zuvor für RTL und Werner Kimmig tätige Wißmann bei der Bekanntgabe der Personalie. Und am Dienstag wurde dann auch klar, wofür man ihn braucht: Der Erfolg von "X Factor" hat VOX offenbar motiviert, das Genre Casting auszubauen. Im Frühjahr 2012 startet mit "Das perfekte Model" eine neue Model-Castingshow bei VOX, die dem ebenfalls im Frühjahr bei ProSieben laufenden "Germanys Next Topmodel" Konkurrenz machen soll.

Noch ist zu dem geplanten Format jedoch noch nicht viel bekannt. Die Juroren für "Das perfekte Model" werden jedoch in Kürze feststehen, erklärte Hoffmann in Frankfurt. Die Reaktionen unter Journalisten wie Werbekunden fiel gemischt aus. Ob es wirklich noch einer Modelsuche bedarf, fragten die einen. Die anderen hingegen hielten VOX zu Gute, dass auch "X Factor" im Vorfeld zunächst kritisch beäugt und später euphorisch bejubelt wurde. In jedem Fall aber, da war die Meinung einstimmig, will es VOX wieder wissen und zeigt sich angriffslustig. Das betonte in Frankfurt auch Anke Schäferkordt, die insbesondere bei ihrem früheren Sender noch großes Wachstumspotential sieht.

Das Selbstbewusstsein dafür lieferte nicht nur Publikums- und Kritikerfolg von "X Factor". Auch die Etablierung einer Kultfigur wie Daniela Katzenberger zeigte, dass VOX gelingt, was sonst nur den Sendern zugesprochen wird, die der ersten Fernsehliga angehören: Man war Gesprächsthema. Große Doku-Experimente am Samstag und der hohe Fiction-Anteil gleichen dabei mehr oder weniger die Gefahr aus, dass es gerade durch Katzenberger zu trashig werden könnte. Immerhin: Als VOX das letzte Mal angreifen wollte, setzte man auf ein Hunde-Casting. Da sind Models dann doch erfolgsversprechender.