Seit April 2007 nimmt sich Holger Kreymeier in seinem Podcast Fernsehkritik.TV die deutsche TV-Landschaft vor. Dabei spart Kreymeier, der sich gerne als einsamer Kämpfer gegen die Großen inszeniert, nicht mit derber Kritik und bedient sich manchmal eher des Holzhammers denn der Analyse. Aber der Applaus ist ihm seit Jahren sicher und die Fangemeinde wächst stetig, sogar Fantreffen werden inzwischen organisiert. Als bewusst inszeniertes Korrektiv gegen zu viel Unsinn im deutschen Fernsehen wurde der Podcast bereits 2008 mit dem IPTV Award ausgezeichnet, 2010 erhielt die Website den Publikumspreis des Grimme Online Awards.

Refinanziert wird der Podcast über Spenden, die kostenpflichtige Vorabveröffentlichung neuer Ausgaben des Podcasts und einen Online-Shop. Dort sind T-Shirts mit allerlei Sprüchen aus, über oder gegen das Privatfernsehen zu bestellen. Mit dabei: Ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Scheiß RTL" inklusive dem Logo des Kölner Privatsenders. Den Verkauf dieses T-Shirts hat RTL jetzt schriftlich abgemahnt. Holger Kreymeier hat das Schreiben von RTL an ihn veröffentlicht und empört sich - in gewohnter Manier - über alle Maßen darüber. Das liest sich gefällig und findet leicht Applaus.

Doch in der Sache selbst steht außer Frage, wer die Argumente auf seiner Seite hat. Kreymeier hat RTL selbst die Steilvorlage für die Abmahnung geliefert. Die scharfe Kritik gegen den Sender in seinem Podcast oder seinen Texten, die Satire sein sollen, würden RTL noch keine Angriffsfläche bieten. Der Shop hingegen tut es, denn Kreymeier will hier Geld verdienen mit dem RTL-Logo. Kasse machen auf Kosten anderer, könnte man auch sagen. Das mag angesichts der Größe von Kreymeiers Fernsehkritik.tv und RTL auf der anderen Seite zwar albern klingen, doch es ändert nichts am Grundproblem. "Scheiß RTL" geht - gedruckt auf einem T-Shirt und ohne Einordnung - auch nicht als Satire durch.

Dass Kreymeier das Schreiben von RTL veröffentlicht, obwohl der Sender sich das verbat, verkauft er einmal mehr mit geschickter Selbstinszenierung als Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Sollte RTL wie angedeutet deswegen noch einmal weitere Schritte einleiten, wird Kreymeier sich wohl auch darüber wieder in gewohnter Art empören als hätte man es nicht ahnen können. Und geschickt suggeriert Kreymeier, RTL wolle ihn mundtot machen und die kritische Berichterstattung unterbinden. Das ist allerdings ein Märchen und hilft nur, ihn als Märtyrer erscheinen zu lassen. Erst die Geschäftemacherei im Online-Shop gab RTL die nötige Handhabe.

Doch am Ende dieser Geschichte sind Argumente nicht alles, was zählt. Denn nach der Aufregung im Web um einen peinlichen RTL-Beitrag über die Computer- und Videospielemesse Gamescom und ihre Besucher handelt sich RTL mit dieser Abmahnung jetzt erneut Negativ-PR ein. Der Schaden, den RTL durch den Verkauf von Kreymeiers T-Shirt erfährt, dürfte minimal gewesen sein gegen den Imageschaden, den man jetzt als gegen eine Einzelperson klagendes Großunternehmen erfährt. Der Sender beweist wahrlich kein glückliches Händchen beim Umgang mit der Netz-Öffentlichkeit. Und so gibt es am Ende zwei Verlierer bei dieser etwas albernen Auseinandersetzung.