Bis Montagnachmittag um 16:00 Uhr setzte die "taz" "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann eine Frist, um sechs Fragen zum Vorgang der Mailbox-Affäre um Bundespräsident Christian Wulff zu beantworten. Die Antworten kamen pünktlich - eine Minute vor Ablauf der Frist traf eine Mail ein, in der die Springer-Pressestelle Stellung nahm. Dabei machte Springer deutlich, dass Diekmanns Büroleitung noch am Abend von Wulffs Anruf eine Abeschrift erstellte, die in den folgenden zwei Tagen in den Redaktionskonferenzen vorgelegen habe. Tondokumente seien von der Nachricht allerdings nicht angerfertigt worden.
Warum die Nachricht, die Wulff auf der Mailbox des Chefredakteurs hinterließ, später durch andere Zeitungen an die Öffentlichkeit kam, ist allerdings noch unklar. "In Gesprächen wurden einige der bereits bekannten Passagen erläutert", schreibt Springer in der Mail an die "taz". "Eine Abschrift der Nachricht wurde von der Pressestelle an keine Zeitung oder Zeitschrift geschickt. Es gab keinen Auftrag an Redakteure von Bild, die Nachricht oder Passagen daraus weiterzugeben." Bereits im Vorfeld hatte Diekmann jedoch mit zwei externen Journalisten über den Anruf gesprochen, wie er nun erklärt. Ihnen sei auch der Text zugekommen.
"Gerade aufgrund der eigenen Betroffenheit ging es ihm dabei um das Einholen von Einschätzungen nicht betroffener Kollegen außerhalb der Redaktion", so Springer über diesen Schritt des Chefredakteurs. "Der eine Journalist empfahl übrigens, die Geschichte zu veröffentlichen, der andere riet davon ab. Schon daran können Sie erkennen, dass der richtige Umgang mit dieser Situation alles andere als eindeutig war." Mit den Antworten gibt sich die "taz" allerdings nicht zufrieden. "Nicht die Aufklärung, sondern die quotenträchtige Hinrichtung scheint doch in diesem Fall sehr offensichtlich eine große Rolle zu spielen", sagte "taz"-Chefredakteurin Ines Pohl.
Durch die Anfrage an Diekmann habe man nachvollziehbar machen wollen, wie das System "Bild"-Zeitung funktioniere. Diekmann gelinge es mit seinen Antworten nicht, die Annahme zu entkräften, dass er gezielt Teile der Mailboxabschrift gestreut hat, so Pohl weiter. Aus diesem Grund wolle man weitere Nachfragen zu der Mailbox-Affäre stellen.
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