Wenn deutsche Verlage ihre Medienpreise verleihen, dann sieht das meist schon nach großer Willkür aus. Bei Burdas Bambi ist man beispielsweise Meister im Erfinden immer neuer Kategorien. Bei Springers Goldener Kamera ist man da immerhin konsequenter und bleibt seinem Kategorien-System weitgehend treu. Dafür ist die Auswahl der Preisträger in den internationalen Kategorien nicht weniger absurd. Dass man mit Vorliebe die Stars auszeichnet, die entweder ohnehin gerade in der Stadt sind oder die zumindest ihr Kommen zugesagt haben, ist ein offenes Geheimnis.

Doch wenn man einen Schauspieler auszeichnet, der im zurückliegenden Jahr seit der Verleihung der letzten Goldenen Kamera noch nicht mal einen Film in die Kinos gebracht hat, dann hat das noch einmal eine neue Qualität. So wie in diesem Jahr in der Kategorie "Bester Schauspieler International", in der Denzel Washington die Goldene Kamera überreicht bekommt. Denzel Washingtons letzter Film "Unstoppable - Außer Kontrolle" - ohnehin nicht unbedingt der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens - erschien jedenfalls schon im Jahr 2010.

Für Denzel Washington kommt die Auszeichnung trotzdem gerade zur rechten Zeit - zumindest aus seiner Sicht. So steht knapp zweieinhalb Wochen später der Start seines neuen Films "Safe House" in den deutschen Kinos an, den er - wie schon seit längerem bekannt ist - an jenem Wochenende in Berlin präsentieren wird. Die Goldene Kamera kommt für einen PR-Auftritt da gerade recht. Bei Springer tut man auf DWDL.de-Nachfrage die Vermutung, der Preis werde nur an Denzel Washington verliehen, weil der ohnehin gerade für die Film-PR in Berlin ist, natürlich als Quatsch ab.

Allgemein verleihe man bei der Goldenen Kamera ja nicht in allen Kategorien aktuelle Preise - schließlich sei man nicht der Oscar - sondern würdige die gesamte künstlerische Leistung. Das trifft zum Einen für die nationalen Katgorien nicht zu, da dort die Schauspieler und Schauspielerinnen für bestimmte aktuelle Filme nominiert werden. Zum Anderen wurden dafür eigentlich die Lebenswerk-Kategorien erfunden. Dafür jedoch sei er noch zu jung, heißt es bei Springer auf Nachfrage.

Ausgezeichnet werde er schlicht, weil die Jury, in der neben der "Hörzu"-Führung noch Anna Loos, Tanja Ziegler, Michael Kessler, Theo Koll und Kai Pflaume sitzen, ihn für einen tollen Schauspieler halte. In der ausführlichen Begründung liest sich das so: "Denzel Washington ist ein ungemein ausdrucksstarker Schauspieler. Er fährt mit einer natürlichen Autorität auf, weshalb er gerade in seinen Rollen als Führungsperson so glaubwürdig ist. Oftmals vermittelt er dem Zuschauer ein positives Wertesystem und macht sich damit zum Leitbild und Vertreter ethischer Grundsätze. Gleichzeitig ist er außerordentlich wandlungsfähig und kann in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. So auch in seiner aktuellen Produktion 'Safe House', wo er als Schwerverbrecher zu sehen sein wird."

Ob die komplette Jury den neuen Film schon gesehen hat, obwohl er auch in den USA noch gar nicht gestartet ist, können wir nicht beurteilen. Auch nicht, ob Deutschland ohnehin bereits auf Denzel Washingtons PR-Tour-Plan stand oder erst nach der Anfrage der "Hörzu" mit eingeplant wurde. Doch eine Frage stellt sich in jedem Fall: Wertet man nicht die Preise in anderen Kategorien mit ab, wenn in den internationalen Kategorien die Preisträger auf diese seltsame Art und Weise ausgesucht werden?