Er ist besessen und würde manchmal gerne schneller als er kann: Doch ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler hat sich daran gewöhnt, dass ein Tanker wie das ZDF nicht so flexibel zu programmieren ist wie ZDFneo. Schon ein Jahr nach seinem Amtsantritt wurde aber klar: Entmutigen lässt er sich davon nicht. "Die Art und Weise, wie wir das machen, kann man mit den Stichworten Hartnäckigkeit und Geduld beschreiben. Wenn Sie beobachten, was sich bei uns im Programm im Augenblick tut, werden Sie viele Signale wahrnehmen, die auf eine stetige Modernisierung hindeuten", sagt Himmler selbst in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagsausgabe). "Ich glaube, es braucht immer mehrere Besessene. Einer muss die Idee haben, das kann mal der Sender sein, mal der Produzent. Richtig gut wird es erst, wenn alle an einem Strang ziehen."



In seinem ersten Jahr als ZDF-Programmdirektor haben sich die Mainzer von mehreren alten Serien-Marken getrennt und mit "Das Adlon", "Unser Mütter, unsere Väter" und "Verbrechen" gleich drei herausragende Mehrteiler in den ersten Monaten diesen Jahres platziert. "So soll es weitergehen", kündigt Himmler in der "FAZ" an. "Hier zeigt sich eine Modernität in Inhalt, Formsprache und Machart, die ich so zur Zeit bei den Privatsendern und bei der ARD nicht entdecken kann." Gerade in der Fiktion sieht Himmler noch viel Potential im ZDF. Himmler: "Wir werden im Herbst einen herausragenden Film im Programm haben zum Bluter-Skandal, unter dem Titel 'Blutgeld', von dem Produzenten Michael Souvignier, der auch 'Contergan' gemacht hat. In einer neuen Krimireihe am Samstag namens 'Helen Dorn' von Matti Geschonneck spielt Anna Loos die Hauptrolle. Und auch im Vorabendprogramm um 19.25 Uhr ist Bewegung."

Da hatte man sich von "Forsthaus Falkenau" und "Der Landarzt" getrennt. "Bei den Familienserien am Vorabend werden wir jetzt zwei Dinge ausprobieren. Die eine Serie ist eher konventionell – 'Die Herzensbrecher', das Drehbuch stammt von Christian Pfannenschmidt, die andere ausgefallen – 'Die Familiendetektivin', da geht es um Sorgerechtsfragen oder um verschwundene Mütter oder Väter", verrät Himmler. Und auch an anderen Sendeplätzen wurde gearbeitet: Am Sonntagabend habe man bei den romantischen Filmen auf mehr Realismus gesetzt und die Krimis am Samstagabend kommen jetzt aus einer Hand - hier hat Himmler Redaktionen zusammengelegt. Ein Stück weit, so Himmler in der "FAZ", könne man Kreativität eben planen. Von einem Besuch bei HBO und dortigen Freiraum für Kreative zeigt sich der ZDF-Programmdirektor beeindruckt.
 
Dennoch: "Ich will deutsche und europäische Koproduktionen. So etwas, was wir mit 'Kommissarin Lund', 'Kommissar Beck' oder 'Wallander' schon aufgebaut haben. Darüber bin ich im Gespräch insbesondere mit den skandinavischen Sendern." Aber auch die für ZDFneo eingekauften Serien wie "Mad Men", "Magic City" oder "Girls" sollen am späten Freitagabend noch einen Platz im ZDF finden. Doch seriell lehnt sich Himmler im Gespräch mit "FAZ"-Redakteur Michael Hanfeld weit aus dem Fenster. "Für das nächste Jahr habe ich mir zwei Dinge vorgenommen: Die anspruchsvolle Miniserie – 'Breaking Bad' auf Deutsch also, für die zweite Primetime. Das andere ist Comedy, oder genauer gesagt: Sitcom. Zwei Sitcoms sind in der Entwicklung und sollen nächstes Jahr auf den Schirm kommen."

Und sonst? Unter dem Label "37 Grad" sind neue Projekte geplant, darunter Langzeitbeobachtungen über mehrere Generationen unter dem Titel "20, 40, 60" sowie eine Reportage über Samuel Koch. Und dann kündigt Himmler noch die historische Dokureihe "Frauen, die Geschichte machten" an. Das Kulturmagazin "Aspekte" soll verlängert und mit mehr Gesprächselementen umgebaut werden. Auch die Kritik an Markus Lanz und den Champions League-Kosten wird noch einmal aufgewärmt - ohne neue Erkenntnisse. Doch der ARD gibt Himmler noch einmal einen Korb aus Mainz. "Diese Debatte gefällt mir tatsächlich nicht", sagt der ZDF-Programmdirektor zu den Gedanken über einen gemeinsamen Jugendkanal. ZDFneo und ZDFinfo seien gut positioniert. "Wir investieren wenig Geld, viel Kreativität und sind damit sehr erfolgreich. Dabei sollte es bleiben."

Und auch RTL bekommt im "FAZ"-Interview noch eine charmant verpackte  Ohrfeige mit auf den Weg: "Ich habe Respekt vor der Leistung von RTL", beginnt Norbert Himmler. Und ergänzt: "Die Kölner Kollegen haben in den letzten Jahren weit vorn gelegen, weil sie unter ihren Vorzeichen, die rein wirtschaftlicher Natur sind, einen tollen Job gemacht haben. Zurzeit ist es so, dass viele Formate in der Unterhaltung in die Krise kommen. Dort ist der Ablauf von Markenzyklen unterschätzt worden. Bei ProSiebenSat.1 und bei RTL sind die Gewinnmargen aber nach wie vor hervorragend, bei weit über zwanzig Prozent. Dass aber das Investment ins Programm, in die Quantität und vor allem die Qualität leidet, das sehen wir zurzeit auf dem Schirm und auch bei den Zuschauermarktanteilen."