Die überschwänglichsten Worte des Abends trug mit gewohnt lautem Organ Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, vor: "Mit großer Mehrheit haben wir dem Intendanten für seine Strategie, unseren WDR als öffentlich-rechtliches Flaggschiff zukunftssicher zu machen, unsere Unterstützung gegeben."

Mit 34 von 40 gültigen Stimmen hatte das Aufsichtsgremium der Kölner Anstalt zuvor den derzeitigen TV-Chefredakteur Jörg Schönenborn zum neuen Fernsehdirektor gewählt, mit 40 von 43 gültigen Stimmen Valerie Weber, Geschäftsführerin und Programmchefin von Antenne Bayern, zur neuen Hörfunkdirektorin. Beide werden ihre Ämter zum 1. Mai 2014 antreten.

Es sei kein bloßes Abnicken der Personalvorschläge gewesen, betonte Hieronymi. Der Rundfunkrat habe viele kritische Fragen gestellt. Das ist insofern glaubhaft, als die Wahl Webers den Beginn der angesetzten Pressekonferenz um rund eine Stunde verzögerte. Im Abstimmungsergebnis jedoch fand sich die kontroverse Diskussion der Berufung einer Privatradio-Chefin nicht wieder.

"Ich verstehe alle Ängste, die im Hause herrschen", zeigte sich Weber nach der Wahl diplomatisch. "Ich verstehe alle, die gedacht und gesagt haben, das kann doch nicht wirklich der Vorschlag sein. Das war ein sehr mutiger Vorschlag, den Tom Buhrow gemacht hat. Wir wussten beide, was das bedeutet und was passieren würde." Entsprechend sei sie angesichts der Rückendeckung durch den Rundfunkrat "sehr, sehr, sehr erleichtert".

Weber präsentierte sich überzeugend als leidenschaftliche Radiomacherin, die jenseits aller vordergründigen Systemgrenzen zwischen privat und öffentlich-rechtlich dafür kämpfen wolle, "dass Radio in der zunehmenden digitalen Konkurrenz auf den Endgeräten bleibt und auch künftig als wichtiges Medium wahrgenommen wird". Ihr Credo sei grundsätzlich, aus Hörern Zuhörer zu machen. Angesichts des bevorstehenden Sparkurses im WDR und einer möglichen zweiten NRW-weiten Privatfunkwelle wolle sie die Aufgaben "gemeinsam mit den WDR-Kollegen, die spannende Programme machen, kreativ lösen" und die Wettbewerbsfähigkeit des WDR sichern helfen.

Die massive Ablehnung, die Weber aus dem Kreis der WDR-Hörfunkmitarbeiter entgegengeschlagen war, beschäftigte offenbar auch den Rundfunkrat. "Ich kenne niemanden beim WDR, und niemand, der sich da zu Wort gemeldet hat, kennt mich", so die Antenne-Bayern-Managerin. "Also nehme ich das alles nicht persönlich, weil es sich nicht gegen mich persönlich richtet. Wir werden uns gegenseitig kreativ extrem befruchten, und ich werde viel von den Mitarbeitern des WDR lernen." Die Pressekonferenz verließ Weber recht schnell, um sich mit den Wellenchefs und Bereichsleitern der Anstalt zu treffen. Zum Abschluss parierte sie die Frage, ob dem WDR unter ihr jede Menge Gewinnspiele drohten, mit einem Brecht-Zitat und dem Bekenntnis zur Interaktion mit den Hörern. Man dürfe Spiele nicht per se verdammen, selbst auf der Klassikwelle WDR3 gebe es auch jetzt schon Spiele.

Durch den öffentlichen Fokus auf die umstrittene Hörfunk-Personalie geriet der Fernsehdirektor in spe fast zur Nebenfigur. "Was mich treibt, ist das, was Fernsehen bewegen kann", gab Schönenborn zu Protokoll. "Wenn es darum geht, Gefühle zu wecken und Menschen die Augen zu öffnen, dann können gut gemachte Filme das oft besser als eine Dokumentation." Fiction und Unterhaltung müssten sich somit nicht sorgen, wenn künftig ein ausgemachter Info-Mann das gesamte Programm verantworte. "Ich spüre, dass eine große Aufgabe auf mich zukommt, die nicht nur im Heute und Morgen liegt, sondern vor allem in der Zukunft, in der linearer Konsum nur noch ein Teil der TV-Welt ist", so Schönenborn.

Vergleichsweise geringen Redeanteil hatte auch Intendant Buhrow, der sich über "Vertrauen und Rückendeckung durch den Rundfunkrat" sichtlich freute. Noch einmal warb er dafür, die Berufung Webers nicht als Bedrohung aufzufassen: "Sie bringt Erfahrungen aus einem harten Wettbewerb mit, um uns damit für die Zukunft zu wappnen und zu schützen."

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