Eigentlich sollte es nur ein normales Interview werden, das Marietta Slomka am Donnerstagabend mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel im Rahmen des "heute-journals" führte. Doch dann wurde es mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Mitgliederabstimmung zum großen Schlagabtausch. Gabriel bezeichnete die Frage und Kritik mit Verweis auf das Parteingesetz und der darin enthaltenen Pflicht zu innerparteilischer Demokratie als "Quatsch" und "Blödsinn" und unterstellte Slomka, nicht das erste Mal in einem Interview mit einem Sozialdemokraten die Worte im Munde umzudrehen. "Herr Gabriel, Sie werden mir jetzt bitte nichts unterstellen", die entsprechende Reaktion von Slomka.

Beide Gemüter haben sich mittlerweile wieder beruhigt. Gegenüber der "Bild"-Zeitung erklärt Slomka, dass die Vielzahl der von ihr in den letzten zwölf Jahren geführten Interviews belegten, dass dieser Vorwurf jeder Grundlage entbehre. "Ich trage keine parteipolitische Brille. Als Journalistin habe ich die Aufgabe, Politiker mit Kritik zu konfrontieren. Und zwar völlig unabhängig davon, wie ich persönlich über ein Thema denke", so Slomka gegenüber dem Blatt. Eine Entschuldigung erwartet sie von Gabriel derweil nicht. Auf die Frage, ob er dies tun müsse, entgegnete sie: "Nein, so wenig, wie sich Journalisten für kritische Fragen entschuldigen müssen. In Zeiten einer Großen Koalition wird das übrigens erst recht wichtig sein: dass Kritiker, Abweichler und Minderheitsmeinungen zumindest über die Medien noch Gehör finden."

Sigmar Gabriel kann sich zumindest über erhöhte Aufmerksamkeit freuen und durfte sich an verschiedenen Orten bereits zu dem Interview äußern. Bei "3nach9" bei Radio Bremen sagte er: "Frau Slomka hat mir erst einmal den Gefallen getan, ein Mitgliedervotum zu verteidigen. Aber Frau Slomka hat in der SPD während des Wahlkampfes gelegentlich auch dafür gesorgt, dass wir nicht den Eindruck haben, dass bei ihren Interviews alle gleich behandelt werden." Gegenüber der "Bild" erklärte er, dass Slomka mit "verstärkter Höflichkeit" gefragt habe, was ihr auch zustehe, und er ebenfalls auf diese Art geantwortet habe. "Denn so frei, wie sie in ihrer Frage ist, bin ich es in meinen Antworten.", so Gabriel, der ergänzt: "Meinungsfreiheit gilt für alle." Gegenüber "sonntags.live" bei RTL sagte er auf die Frage, ob er sauer sei, "Nein, ich finde solche Situationen, die sind auch normal. Man muss doch auch mal Emotionen zeigen. Wir sind ja keine kalten Fische, und manche Journalisten glauben, wir Politiker seien so zum Watschenmann da, also das scheint in Mode gekommen zu sein, und dafür bin ich einfach nicht geeignet."

Rückendeckung erhält Gabriel dennoch - und das wider Erwarten ausgerechnet von Horst Seehofer. Der Vorsitzende der CSU nimmt die große Koalition offenbar sehr ernst und verteidigt seinen künftigen Partner im Bund. Eine SMS ging bereits an den ZDF-Intendanten Thomas Bellut und ein Brief solle noch folgen, heißt es in der "Süddeutschen Zeitung". "Ich wehre mich gegen diese Qualität der Diskussion", so Seehofer, der die Art der "absurden Fragen" von Slomka für "typisch" für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk hält. "Da wird der Gabriel hingestellt wie so ein Schulbub, der an eine wichtige Frage, nämlich die Verfassung, nicht gedacht hat", zitiert die "SZ" Seehofer, der für das Interview nur Kopfschütteln übrig hat. "Ich verteidige jetzt die SPD - weil ich für Qualitätsjournalismus bin. Wo sind wir denn eigentlich?", so Seehofer.