Es ist ein kleines Drama: Auch wenn die ARD mit ihren Serien am Dienstagabend überaus erfolgreich ist, so ist doch kaum Platz für Neues. Der Dauerbrenner "In aller Freundschaft", der trotz starker Quoten ganz sicherlich kein Paradebeispiel für anspruchsvolle Serienkost ist, blockiert dabei ganzjährig einen von zwei Serien-Sendeplätzen. Im Gegenzug findet sich für eine auch beim jungen Publikum populäre Serie wie "Mord mit Aussicht" nur rund alle zwei Jahre ein Platz im Programm, weil "Tierärztin Dr. Mertens" und "Familie Dr. Kleist" auch noch gesendet werden müssen.

Dieses Problem hat der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor offensichtlich erkannt. "Ich ermuntere unsere Leute immer wieder: Riskiert etwas, macht etwas. Ich möchte auch mal etwas anderes sehen", sagte Marmor in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und kündigt an, auch am Donnerstag Serien im Ersten zeigen zu wollen. "Da wollen wir experimentieren, das wird unser neuer Serienplatz neben dem Dienstag. Wenn wir jetzt wirklich eine tolle Serie angeboten bekommen, dann finden wir auch einen Platz. Es gibt ja kein Verbot, uns intelligente, gut gemachte Serien anzubieten."

Angesprochen auf die hochgelobte Politserie "Borgen", die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Dänemark produziert wurde, sagte Marmor: "Die hatten einen langen Atem. Klar, davon kann man auch lernen. Aber wenn das alles so leicht wäre. Anderseits haben wir zum Beispiel 'Weissensee'. Ich finde, man tut uns auch unrecht, wenn Sie Serien wie 'In aller Freundschaft' und 'Um Himmels Willen' kritisieren. Die erreichen ihr Publikum, die sind bei den Leuten beliebt. Warum soll ich die aus dem Programm nehmen?" Zugleich verwies Marmor in der "SZ" auf "tolle Fernsehspiele" mit schwierigen Themen. "Serien haben wir ebenfalls, aber da gibt es noch Luft nach oben, das wissen wir auch."

Talkshows gibt es dagegen derzeit wohl in ausreichender Zahl im Ersten. Ob die Debatte mit dem bevorstehenden Abschied von Reinhold Beckmann schon vorbei ist, erscheint unklar. "Nichts im Programm hat Ewigkeitswert, das ist doch klar. Aber ich glaube, jetzt haben wir erst mal eine gemeinsame Lösung gefunden, und dann werden wir nach einem oder anderthalb Jahren noch einmal gucken, wie sich das bewährt", betonte der ARD-Vorsitzende. "Es gibt ja immer Leute, die sagen, sie gewinnen keinerlei Erkenntnisse aus Talkshows. Bei mir ist es anders. Und es ist auch ein günstiges Format, wenn Sie es auf die Minute rechnen." Dass die ARD Beckmann als Talker loswerden wollte, wies Marmor zurück: "Er kam jedenfalls zu mir und sagte, er habe neue Ideen."

Auch den Vorwurf, die ARD würde Quotenfernsehen machen, wies der NDR-Intendant zurück. "Wenn wir Quotenfernsehen wären, sähe das Programm komplett anders aus. Dann hätten wir zum Beispiel nicht sechs politische Magazine, auch keine Europaberichterstattung - das wäre fatal." Den Spagat müsse man schon immer machen. "Wir können nicht sagen, wir machen nur Quote, wir können aber ebenso wenig sagen, die Quote ist uns völlig egal. Es geht um unsere Zuschauer." Einen Rundfunk für eine Info-Elite wäre aus Marmors Sicht "undemokratisch". Der ARD-Vorsitzende in der "Süddeutschen": "Unsere Schwächen liegen vor allem im Vorabend und in der Unterhaltung, also in den Genres, die uns nicht so nah sind wie die Information. Man kann nie alles haben."