Pionier beim via Internet empfangbaren linearen Fernsehen war der Schweizer Anbieter Zattoo, der dann vor genau drei Jahren mit Zattoo+ auch bereits den Einstieg in den PayTV-Markt gewagt hat. Doch im Eiltempo hat in den vergangenen Monaten der aus Schweden kommende Anbieter Magine TV aufgeholt - und stellt anlässlich der IFA in Berlin und einer durch den Netflix-Launch aufgekommenen Debatte um die TV-Zukunft ein neues Angebot vor, das Zattoo vorerst in den Schatten stellt und darüber hinaus auch Kabelnetzbetreiber, Astra und DVB-T Konkurrenz macht.



Magine TV wird mit ausgebautem Sender-Portfolio und neuer Angebots-Struktur zum vollwertigen TV-Provider, der Kabel- und Satelliten-Kunden eins voraus hat: Die mobile Nutzung via Handynetz auf beinahe allen denkbaren Endgeräten. Damit macht Magine TV das lineare Fernsehen unabhängiger und flexibler nutzbar als über stationäre Empfangswege, auch wenn Kabelnetzbetreiber die Notwendigkeit des Handelns ebenfalls längst erkannt haben. Nach Jahren der Pionierarbeit durch Konkurrent Zattoo setzt Magine TV der Entwicklung des via Internet empfangbaren Fernsehens durch neue Verträge die Krone auf.

Ein neues Sender-Paket umfasst mit TNT Film, Boomerang, Sony Entertainment TV, Cartoon Network, Universal Channel, E! Entertainment, Nick Jr, Animal Planet, MTV Live, Animax, AXN, CNN International, GINX TV und Fuel TV mehrere namhafte PayTV-Kanäle. Um diese Sender empfangen zu können über die Website bzw. Apps von Magine, müssen Kunden künftig 16,99 Euro im Monat für das „Magic“-Paket zahlen. Sie bekommen dabei auch alle öffentlich-rechtlichen Sender sowie die klassischerweise als frei empfangbare Sender bezeichneten privaten TV-Kanäle RTL, Sat.1, ProSieben, Vox, RTL II, Kabel Eins, Super RTL, RTL Nitro, ProSieben Maxx, Sixx, Sat.1 Gold, Sport 1, DMAX, N24, n-tv, Russia Today, Al Jazeera, BBC World, Nickelodeon, joiu, Eurosport, Comedy Central, VIVA, RiC, TLC, Bloomberg, DAF, Das Neue und Family TV.

Wer auf die PayTV-Kanäle verzichten kann, bekommt die „frei empfangbaren Kanäle“ im sogenannten „Master“-Paket künftig für den Preis von 6,99 Euro im Monat. Der kostenlose Empfang dieser Sender war für Magine in den vergangenen Monaten ein wichtiges Marketingtool, um Bekanntheit und Reichweite aufzubauen, doch jetzt geht also wie erwartet die Bezahlschranke runter. Die monatliche Gebühr von 6,99 Euro sei eine „technische Bereitstellungspauschale“, erklärt Magine TV im Rahmen der Vorstellung der neuen Angebotsstruktur. Aus der Erwartungshaltung, alles umsonst zu bekommen, ist dies eine mathematisch gar nicht messbare Preiserhöhung. Andererseits jedoch positioniert sich Magine TV mit den Paketen Master und Magic als vollwertiger und mobiler TV-Provider.

Umsonst gibt es künftig nur noch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender im „Free“-Paket. Am anderen Ende des Angebotsspektrum bietet Magine noch ein „Max“ genanntes Paket zum Preis von 23,99 Euro im Monat an. Dieses enthält dann noch die sehr speziellen PayTV-Sender YFE, Docubox, Nautical Channel, Fastandfunbox, C Music, Duck TV, Body in Balance, Filmbox Arthouse, Fightbox und Fashionbox. Dieses teuerste Programmpaket ist für alle Magine-Neukunden im ersten Monat kostenlos. Wenn sich Kunden dann nicht für eines der kostenpflichtigen Pakete entscheiden, bleiben nur die im Free-Paket enthaltenen öffentlich-rechtlichen Sender empfangbar. Eine Abo-Bindung gibt es nicht: Alle Programmpakete von Magine können monatlich gewechselt oder gekündigt werden. Für Bestandskunden von Magine gelten bis Jahresende Sonderkonditionen, zu denen man allerdings keine weiteren Details kommuniziert hat.

Im Zuge der Vorstellung der neuen Angebotsstruktur wurde auch eine neue Benutzeroberfläche für das Angebot angekündigt. Zu all den vorhandenen Apps für Smartphones, Tablets und Smart TVs soll Windows 8-Unterstützung in Kürze folgen und auch die sogenannte Startover-Funktion sowie CatchUp-Angebote wurden noch einmal präsentiert. Diese sind jedoch nicht bei allen Sendern verfügbar. Spannender als diese technischen Features ist an der Präsentation des neuen Magine TV jedoch die Partnerschaft mit gleich mehreren PayTV-Häusern, darunter Sony, Discovery, Turner und Universal. So namhafte PayTV-Häuser scheuten bisher die Zusammenarbeit z.B. mit Magine-Konkurrent Zattoo, weil man Ärger mit dem wichtigsten Plattform-Partner Sky befürchtete. Immerhin ist Magine mit dem jetzt vorgestellten Programmportfolio auch ein Konkurrenz für PayTV-Anbieter.

Dazu kommt aus Branchensicht die interessante Tatsache, dass die monatliche Kündbarkeit von Magine für die Sender eine Umstellung ist. Bislang arbeitet das PayTV-Geschäft mit länger laufenden Endkunden-Verträgen. Für Friederike Behrends, Deutschland-Chefn von Magine TV, ist diese erfolgreiche  Überzeugungsarbeit ein großer Schritt nach vorne, dank dem man im Wettbewerb mit Zattoo jetzt die Nase vorn hat. Dass Universal Networks in Deutschland von ihrer Schwester Katharina Behrends geführt wird, dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben. Aus einer sehr interessanten Spielerei ist ein ernstzunehmender, vollwertiger TV-Provider geworden, der das lineare Fernsehen wieder ein Stück weit mehr aus der stationären Nutzung befreit und ein schon zur Einführung recht attraktives PayTV-Angebot vorweisen kann. Eine mindestens so spannende Entwicklung für den deutschen Fernsehmarkt wie der gehypte Start von Netflix.