Lange schien es, als sei ein Verbleib der Schotten im Vereinigten Königreich nicht gefährdet - bis eine Umfrage in der vergangenen Woche plötzlich die Befürworter einer Abspaltung vorne sah. Am Donnerstag entscheiden die Schotten nun final über ihren Status: Wollen sie Teil des Vereinigten Königreichs bleiben oder gehen sie künftig, wie von der schottischen Regierung angestrebt, einen eigenen Weg als unabhängiger Staat? Entscheidend für Schottland werden im Referendum ohne Frage wirtschaftliche und soziale Aspekte. Doch auch auf die Medienlandschaft würde ein 'Ja' zweifelsohne Auswirkungen haben. Deshalb blicken wir nun auf ein Medien-Schottland im Falle der Unabhängigkeit, die gerade für die BBC große Auswirkungen haben würde.

Entscheiden sich die Schotten für die Unabhängigkeit, dann ist dies auch ein Votum gegen die BBC. Geht es nach der schottischen Regierung, dann wird die BBC im Inland durch eine neue öffentlich-rechtliche Anstalt abgelöst, die auf den Namen Scottish Broadcasting Service, kurz SBS, hören und aus dem bisherigen BBC Scotland hervorgehen soll. Auf Sendung gehen soll SBS mit einem neuen Fernsehsender, einem neuen Radiokanal und einem Online-Angebot mitsamt News-Bereich und Catch-Up-Service allerdings erst zum 1. Januar 2017. Bis dahin gilt die derzeitige BBC-Satzung, in der Übergangsphase wird die BBC also auch offiziell weiterhin für Schottland zuständig sein. Als neue Rundfunkanstalt für Schottland würde SBS in etwas über zwei Jahren dann aber auch die bisherigen BBC-Angebote BBC Alba, Radio Scotland und Radio nan Gàidhal übernehmen und in allen Joint-Ventures auf dem schottischen Gebiet den BBC-Anteil übernehmen. Schottland strebt an, dass SBS ein Teil der European Broadcasting Union (EBU) wird, was u.a. auch die Teilnahme am Eurovision Song Contest ermöglicht.

Für die ohnehin schon stark gebeutelte BBC wäre eine Abspaltung des schottischen Sektors ein erheblicher finanzieller Einschnitt. Rundfunkgebühren in Höhe von 320 Millionen Pfund würden auf einen Schlag wegfallen. Geld, das künftig der SBS zusteht und komplett in Schottland investiert werden soll. Weitere 13 Millionen Pfund rechnet die schottische Regierung der SBS aus den Einnahmen von BBC Worldwide zu, während weitere zwölf Millionen von der Regierung selbst für die Förderung der gälischen Angebote zur Verfügung gestellt werden. SBS soll ohne Werbung auskommen, hätte damit also ein Budget von 345 Millionen Pfund und somit etwas mehr als das irische RTÉ, das von Schottland stets als Vorbild angeführt wird. Dass die BBC aufgrund der Sparmaßnahmen bis in die Periode 2016/17 statt 205 Millionen nur noch 175 Millionen Pfund in Schottland ausgibt, spielt den Befürwortern einer Abspaltung in die Karten. Doch: Natürlich profitieren die Schotten in den BBC-Programmen bislang auch von Produktionen, die nicht in Schottland produziert werden.

Gibt es die BBC-Sender weiterhin in Schottland?

Schottland entscheidet: BBC© DWDL/BBC
Im Optimalfall müssen die Schotten nach einer Loslösung vom Königreich nach dem Regierungspapier trotzdem nicht auf die BBC-Kanäle verzichten. SBS und BBC sollen demnach eine formelle Partnerschaft eingehen. Dabei bringt SBS weiterhin Sendungen ins BBC-Programm ein, wobei SBS im Ausgleich dann die BBC-Kanäle in Schottland verbreiten darf - ähnlich wie bislang bereits mit der Möglichkeit, für regionale Sendungen aus dem Programm auszusteigen. Was sich auf dem Papier so schön liest, benötigt natürlich auch die Zustimmung seitens der BBC. Eine Aussage dazu gibt es verständlicherweise aus London bislang nicht - doch schon die Finanzen dürften die BBC dazu bewegen, sich mit der SBS zu Verhandlungen an einen Tisch zu setzen. Umsonst bekäme SBS die Programme nämlich sicher nicht. Und den gebeutelten Mitarbeitern, die jetzt bereits immer wieder zum Streik aufrufen, wäre ein Verzicht auf Zusatzeinnahmen bei einem erheblichen Finanzloch durch die schottische Unabhängigkeit nur äußerst schwer vermittelbar. Als unabhängige Anstalt soll SBS allerdings auch mit anderen, privaten Anbietern aus dem verkleinerten UK zusammenarbeiten.

Dennoch erinnern die Gegner einer Abhängigkeit daran, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass die BBC-Programme weiter im bisherigen Umfang in Schottland zu sehen sein werden. Sie verweisen darauf, dass auch ein Bezahlmodell für Schottland denkbar ist - wovon die BBC natürlich auch wieder profitieren dürfte. Außerdem sind hier auch die Lizenzrechte entscheidend: Darf die BBC beispielsweise Sport-Übertragungen im neuen Schottland überhaupt anbieten? In Irland, wo es ebenfalls eine Partnerschaft gibt, entfallen aus diesem Grunde beispielsweise schon die Sport-Übertragungen im Radio der BBC. Und auch der BBC iPlayer, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren noch zunehmen wird, blockiert Zuschauer außerhalb des Sendegebietes. Da die BBC über Satellit unverschlüsselt sendet, werden die beliebten Sender trotz aller Drohungen der No-Kampagne zumindest über diesen Weg aber auch weiterhin in Schottland zu sehen sein.

ARTE wird Vorbild für neue Channel-4-Organisation

Schottland entscheidet: Channel 4© DWDL/Channel 4
Channel 4, das sich zwar über Werbung finanziert, aber ebenfalls mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag sendet, soll auch im neuen Schottland senden. Das wird alleine schon dadurch erklärt, dass die Sendelizenz bereits zum 1. Januar 2015 und damit inmitten der Übergangsphase um weitere zehn Jahre verlängert wird. Künftig soll der bislang sehr niedrige Anteil von nur drei Prozent an Produktionen aus Schottland aber verdreifacht werden. Channel 4 erklärte sich dazu bereits vor einigen Monaten bereit. Langfristig soll aber auch die Organisation hinter den Kulissen verändert werden. Vorbild für Channel 4 wird ganz offiziell der deutsch-französische Kulturkanal ARTE: Ein Channel 4 Scotland soll mit dem bisherigen Channel 4 aus England gemeinsam den Fernsehsender produzieren. Die Menge der Inhalte aus Schottland und England soll sich langfristig dann anhand der Bevölkerungszahlen in beiden Ländern berechnen.

Schottland entscheidet: BSkyB© DWDL/BSkyB
Der Pay-TV-Betreiber BSkyB hat gegenüber seinen Mitarbeitern bereits im Frühjahr erklärt, dass auch ein unabhängiges Schottland weiterhin versorgt wird und man die Geschäfte dort nicht einstellen wird. Gleichzeitig sollte dies die 6.400 Mitarbeiter beruhigen. BSkyB ist einer der größten Arbeitgeber in Schottland. Dass BSkyB auf das schottische Geschäft nicht verzichten will, überrascht aber kaum. 40 Prozent der Haushalte beziehen bereits Pay-TV von BSkyB, das sich gerade durch die Übernahme der Geschäfte in Deutschland und Italien als europäischer Pay-TV-Gigant neupositioniert. Auch hier dürfte Irland wieder als Beispiel dienen, wo BSkyB ebenfalls seine Pay-TV-Plattform anbietet. ITV als größter britischer Privatsender sendet ohnehin nur in der Grenzregion und ist damit vom Referendum nur wenig betroffen; in den übrigen Landesteilen hält schon jetzt das schottische STV die Sendelizenz des dritten Programms.

Während die BBC einige ihrer im Zuge der Dezentralisierung nach Schottland verlagerten Programme in der Übergangsphase wieder zurück nach England (oder Wales und Nordirland) holen muss, muss Schottland selbst bis zum Start des SBS im Jahr 2017 noch einige organisatorische Hürden bewältigen. Neben den Verhandlungen mit der BBC um eine Kooperation und dem grundsätzlichen Aufbau des SBS, muss in Schottland noch eine neue Behörde zum Einzug der Rundfunkbeiträge ("TV Licence") gegründet werden. Auch ein Aufsichtsgremium für die neue SBS soll ähnlich dem BBC Trust aufgestellt werden - wobei Kritiker bereits eine Gefährdung der Demokratie sehen, schließlich muss SBS als direktes Produkt der schottischen Regierung sich erst noch beweisen und kann sich nicht auf eine jahrzehntelange Tradition berufen. Einen direkten Nachfolger für das Ofcom als Medienbehörde soll es in Schottland übrigens nicht geben. Stattdessen ist vorgesehen, dass eine Wirtschaftsbehörde auch für die Aufsicht der Rundfunk- und Telekommunikationsgesellschaften zuständig ist.