Sanktionen kann der ARD-Programmbeirat nicht verhängen, doch kritische Äußerungen stehen ihm zu. Im Falle der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt hat sich das neunköpfige Gremium nun vor einigen Wochen sogar sehr deutlich geäußert. Das Online-Portal "Telepolis" zitiert jetzt aus einem Protokoll zur Programmbeirats-Sitzung vom Juni, in der die Mitglieder "eine ganze Reihe von Beiträgen" analysierten - ein ohne Zweifel ungewöhnlicher Schritt, wie der Beirat selbst sagt. Doch angesichts der breiten Zuschauerkritik an der ARD-Berichterstattung, die nicht zuletzt in sozialen Netzwerken immer wieder geäußert wurde, erscheint der Schritt durchaus sinnvoll.

Tatsächlich zeigt sich der Programmbeirat alles andere als zufrieden. Aufgrund der Beobachtungen sei man zu dem Schluss gekommen, "dass die Berichterstattung im Ersten über die Krise in der Ukraine teilweise den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt hat und tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen gerichtet war", heißt es in einem Resümee, das "Telepolis" in voller Länge veröffentlicht hat. Zwar seien Engagement und Einsatz der Reportinnen und Reporter vor Ort in hohem Maße anzuerkennen. An vielen Stellen sei jedoch nicht ausreichend differenziert worden. Eine gründlichere Recherche durch die politischen Redaktionen wäre für eine vollständige Hintergrundberichterstattung unentbehrlich gewesen.

In gleich zehn Punkten stellt der Programmbeirat eine unzurei­chende Arbeit der ARD fest. So hätten etwa differenzierende Berichte über die Verhandlungen der EU über das Assoziierungs­abkommen mit der Ukraine gefehlt. Auch einen längeren Beitrag, der "die tieferen Ursachen der Krise" verständlich macht, fehlte nach Ansicht des Gremiums. Von allen untersuchten Formaten, darunter auch die "Brennpunkt"-Sendungen und viele Magazin-Beiträge, attestiert der Beirat einzig den Redaktionen "ttt", "Plusminus", "Monitor" und "Panorama" in seiner Untersuchung "einige wenige positive" Themensetzungen. Die Kritik überwiegt: Immer wieder sind Bewertungen wie "fragmentarisch", "tendenziös", "mangelhaft" und "einseitig" zu lesen. 

Negativ fiel etwa "die sehr einseitige, fast schon an die Sprache des Kalten Krieges gemahnende Moderation in den 'Weltspiegel'-Ausgaben des BR" auf, aber auch "die teils provokanten Fragen im 'Bericht aus Berlin' an die Interviewpartner" wurden vom Programmbeirat nicht gern gesehen. Titel von Talkshows hätten darüber hinaus "häufig antirussische Tenzenden erkennen" lassen oder fokussierten den Konflikt oft auf die Person Putin. Dass man mit der Meinung nicht alleine stehe, unterstreiche etwa ein Beitrag im NDR-Medienmagazin "Zapp", das nach dreimonatiger Auswertung von "Tagesschau" und "Tagesthemen" im März eine Überrepräsentanz der prowestlichen Sicht auf die Ereignisse ausmachte. Erst mit Fortschreiten der Krise sei eine Änderung der Farbe der Berichterstattung zu registrieren gewesen - womöglich als Reaktion auf die Zuschauerkitik.

ARD-Chefredakteur Thomas Baumann kann die Kritik des Programmbeirats unterdessen nicht nachvollziehen. "Den Vorwurf einer einseitigen und tendenziösen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt weise ich energisch zurück", erklärte Baumann am Donnerstag. "Es gab und es gibt zahlreiche Beiträge, Sendungen und Sondersendungen im Ersten Programm, die in der Summe die Lage in der Ukraine und die Ursachen der Krise differenziert und unter verschiedenen Aspekten thematisiert haben und thematisieren. Unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort tragen unter schwierigsten Bedingungen mit ihrer Arbeit entscheidend dazu bei, unser Publikum umfassend und so wahrheitsgetreu wie möglich zu informieren."