"Ich bringe die Liebe mit." Mit diesem Satz überraschte Tom Buhrow nach seiner Wahl zum Intendanten des Westdeutschen Rundfunks. Doch recht schnell hat Buhrow erkennen müssen, dass er mit Liebe alleine kaum weiterkommen wird. In einem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe der "Zeit" erscheint, macht sich der WDR-Intendant jetzt sogar für eine neue Strategie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark. "Wir müssen uns fragen, was wir uns noch leisten können und sollen", schreibt Buhrow und wünscht sich einen gesellschaftlichen Dialog "darüber, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten soll, wie viel davon und was er uns wert ist". Am Ende dieses Dialoges erhoffe er sich einen "Konsens im Sinne eines Gesellschaftsvertrages".

Allerdings sieht er auch die Rundfunkanstalten in der Pflicht. "Um für den Beitritt zu einem solchen Gesellschaftsvertrag zu werben, müssen wir als Erstes beweisen, dass wir uns aus eigener Kraft reformieren können", so Buhrow, der daraufhin sehr deutlich wird: "Und reden wir nicht drum herum: Reformieren heißt auch - sinnvoll schrumpfen." In diesem Zusammenhang stellt der Intendant klar, dass der Eindruck des Wachstums der Öffentlich-Rechtlichen auch damit zu tun habe, dass man in den vergangenen Jahren ständig neue Aufgaben geschultert habe - etwa in Form eines ausgeweiteten Informationsangebotes. Dadurch seie eine gesplittete Erfahrung entstanden. "Nach innen ist es seit Jahrzehnten ein ständiger Sparkurs mit Arbeitsverdichtung und Mittelverknappung; nach außen sieht es nach Ausweitung aus. Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir ehrlich sein müssen."

Nicht nur das Publikum, sondern auch bestimmte gesellschaftliche Interessengruppen müssten von lieb gewonnenen Ansprüchen Abschied nehmen, mahnte Tom Buhrow. So habe er für den WDR bereits einige schmerzhafte Entscheidungen getroffen. In den kommenden Jahren werde er 500 Stellen abbauen müssen. "Das hat es noch nie gegeben", betonte der Intendant in der "Zeit". Aber auch der Verkauf der umfangreichen Kunstsammlung, die in den Nachkriegsjahrzehnten aufgebaut wurde, will Tom Buhrow zu großen Teilen verkaufen. "Jetzt wollen einige Abgeordnete, dass der Landtag darüber debattiert. Der Landtag!", so Buhrow und resümiert: "Egal wo wie sparen, es hagelt Proteste." Dabei werde bisweilen aber auch geheuchelt. "Es heißt dann leicht: 'Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat doch die Verpflichtung..." Hinter solchen hehren Ansprüchen stecken manchmal schlicht materielle Interessen", schreibt der WDR-Intendant. "Das ist nicht verweflich, aber es ist Zeit, diese Debatte ehrlich zu führen."

Dabei müsse sich auch der WDR fragen, wie man den Programmauftrag künftig mit Leben füllen könne. Diesen will Buhrow aber nicht nur auf Information und Bildung reduzieren. "Auch die Unterhaltung gehört dazu, und so soll es meiner Meinung nach bleiben. Allerdings ist vielleicht nicht alles, was wir senden, auch in Zukunft unverzichtbarer Bestandteil unseres Auftrags." Und so scheint es, als wolle der WDR-Intendant seine Zuschauer, vor allem aber auch seine Mitarbeiter schon mal darauf vorbereiten, dass in Zukunft nicht alles beim Alten bleiben kann. "Wie viele 'Schunkelshows' passen zu unserem Programm, und sind diese noch zeitgemäß?", fragt er. Gleichzeitig stehe man vor der Herausforderung, das junge Publikum für die eigenen Programme zu erobern. Buhrow: "Die Jungen haben wir zuletzt etwas aus den Augen verloren." Der WDR habe daher damit begonnen, mit neuen Formaten zu experimentieren, "notfalls auch zulasten der Quote". Was Buhrow meint, sind Formate wie "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von...". Darüber wurde zuletzt zwar im Internet reichlich diskutiert, im Fernsehen war die Comedyshow aus der Schmiede der Bildundtonfabrik aber mit weniger als zwei Prozent Marktanteil innerhalb des WDR-Sendegebiets von einem Erfolg weit entfernt.

Die Verlage fordert Buhrow unterdessen auf, die unaufhaltsame Entwicklung "nicht als Bedrohung, sondern als Chance" zu sehen. Man solle zusammenhalten, "um die kulturell wertvolle Zeitungslandschaft und das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zu erhalten“, appelliert Buhrow in Richtung der Zeitungsverleger. "Kooperationsmöglichkeiten gibt es viele. Schon jetzt stellen wir einigen Zeitungen für ihre Internetseiten Livestreams von Großveranstaltungen wie Konzerten zur Verfügung. Wir könnten weitere bewegte Bilder teilen, damit sie möglichst viele Menschen erreichen", schreibt Buhrow in seinem Beitrag. "Die Zukunft des WDR und unserer Branche insgesamt ist crossmedial."