Vor eineinhalb Jahren machte "Stern TV" ein spannendes Experiment: Drei Freiwillige zogen damals für fünf Tage in einen Container, um so zu leben wie Masthühner. Auf engstem Raum und bei Dauerbeleuchtung ging es vor allem darum, rund um die Uhr zu essen. Bis zu 8.000 Kalorien mussten die Probanden zu sich nehmen - eine Aktion, die zunächst kurios klingt, den Zuschauern letztlich allerdings auf sehr anschauliche Weise die fragwürdigen Zustände in Hähnchenmastbetrieben näherbringen sollte.

Die Aktion hinterließ offenbar einen derart bleibenden Eindruck, dass sie in dieser Woche in ganz ähnlicher Form von den Machern des Sat.1-Magazins "Akte 20.15" wiederholt wurde. Während es bei "Stern TV" einst um das "Leben wie ein Huhn" ging, nannten die Berliner Kollegen ihre Aktion "Leben wie die Mastputen" - und beobachteten vier in einen Container gesperrte Freiwillige über drei Tage hinweg. Anstelle von Ravioli wurden Burger und Pommes serviert. Ansonsten hielten sich die Unterschiede in Grenzen: Anmutung, Tests und Fütterung glichen dem offensichtlichen Vorbild sehr deutlich. 

Verwundert waren darüber nicht nur zahlreiche Zuschauer, die schon nach der ersten Ankündigung auf der Facebook-Seite zur Sendung auf die Parallelen zum "Stern TV"-Experiment hinwiesen, sondern auch die "Stern TV"-Verantwortlichen - erst recht, als dann auch noch die "Bild" im Vorfeld der Ausstrahlung für die "Akte"-Aktion trommelte. Trotz aller Ähnlichkeiten beider Experimente will die Produktionsfirma i&u einen Format-Streit aber offenbar nicht vom Zaun brechen. Gleichwohl verwies i&u wenige Stunden vor der "Akte"-Ausstrahlung auf das eigene "Original" und veröffentlichte den Beitrag aus dem Jahr 2013 auf der Facebook-Seite von "Stern TV" - mit freundlichen Grüßen an "ein anderes deutsches Fernsehmagazin", das die Idee nun nochmal aufgreife.

Die zu Endemol Shine Germany gehörende Produktionsfirma Meta Productions, die für "Akte 20.15" verantwortlich zeichnet, verteidigte unterdessen die nahezu identische Herangehensweise. "Leider sind die Zustände bei der Puten-Masttierhaltung immer noch katastrophal, daran hat sich auch nach dem Beitrag von 'Stern TV' über Hühner in  2013 nichts geändert", hieß es am Mittwoch auf Nachfrage des Medienmagazins DWDL.de. Die Frage, weshalb die Aktion nahezu identisch daherkommen muss, bleibt damit freilich unbeantwortet. "Dieses Thema ist nach wie vor aktuell und prekär. Grund genug für 'Akte', auf diese Zustände hinzuweisen, dies auf eine möglichst drastische Weise - nämlich durch die Analogie zu Menschen - zu veranschaulichen und die Änderung der Zuchtpraxis einzufordern."

Aus Quotensicht half das Mastputen-Experiment übrigens nicht: Mit einem Marktanteil von nur 6,9 Prozent bewegte sich "Akte 20.15" am Dienstag in Sat.1 deutlich unterhalb des Senderschnitts.