"Wir sind kein reines Großfilm-Studio mehr. Die Bavaria Film ist nicht nur bestens aufgestellt für Filmproduktion, sondern auch fiktionale TV-Produktion und TV-Entertainment", betont Christian Franckenstein, Vorsitzender der Geschäftsführung Bavaria Film, bei einem Pressegespräch am Montagmittag in München. Dieser Wandel mache auch unabhängiger von Filmförderungen, so die leise Hoffnung. Der Pressetermin im Restaurant Spatenhaus gegenüber der Münchener Oper spiegelt auf interessante Art und Weise inhaltlich wieder, was der Standort München oder vielleicht Bayern insgesamt gerne vermittelt: Bodenständigkeit, beinahe Bescheidenheit auf der einen Seite  und Fortschrittlichkeit auf der anderen. Bavaria-Chef Franckenstein nennt sein Haus immer wieder ein "mittelständisches Unternehmen" - halt eins mit einer Konzerngesamtleistung von 212,2 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr.

Er paart diesen Versuch der bescheidenen Selbstdarstellung mit einer ehrlichen Analyse von Versäumnissen und Entwicklungen der vergangenen Jahre. „Der Vorteil eines neuen Chefs“, sagt Franckenstein und lächelt. Dabei muss er seit Amtsantritt auch so manches gesehen haben, was ihm ganz und gar nicht gefallen hat: In der Bilanz des Geschäftsjahres 2014/15 finden sich Wertberichtigungen in stolzer Höhe von 4,9 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss der Muttergesellschaft liegt deshalb bei nur 700.000 Euro. Allein mit Film- und TV-Produktionen erzielte das Unternehmen mit Sitz im Münchener Süden einen Umsatz von 142 Millionen Euro, woraus man bei Bavaria Film basierend auf einer Studie der Produzentallianz etwas steil auf einen Marktanteil von sechs Prozent im deutschen Produktionsmarkt schließt.

Doch es geht nicht nur um Kennzahlen an diesem Mittag. Neben ihm sitzt Geschäftsführer Achim Rohnke. Der weiß zu berichten: Die Modernisierung des Standortes Geiselgasteig sei abgeschlossen. Das einst allein auf Filmproduktionen angelegte Gelände und seine Studios seien nun mit der für TV-Produktionen benötigten Infrastruktur auf den neusten Stand gebracht. Gleichzeitig wurde in München nach dem Verkauf der Studio-Kapazitäten in Unterföhring die EIn-Standort-Strategie umgesetzt - und alles auf Geiselgasteig konzentriert. „Wir haben hier Studio-Kapazitäten abgebaut“, sagt Geschäftsführer Achim Rohnke mit Blick auf die andernorts in Deutschland verfügbaren Studio-Überkapazitäten im Produktionsmarkt, die in den vergangenen Jahren insbesondere im Segment der TV-Produktion zu einem ruiniösem Preiskampf geführt haben. Modernisiert habe man in Geiselgasteig auch die „Bavaria Studio Tour“, die im vergangenen Geschäftsjahr auf rund 300.000 Besucher kam.

Einst das wichtigste Element dieser Touristenattraktion: Die Originalkulisse aus dem Bavaria-Hit „Das Boot“. In den vergangenen Jahren war dieses „Highlight“ der Tour jedoch eher Sinnbild für die Schwierigkeit der Bavaria, an solche monumentalen Erfolge anknüpfen zu können. Doch bald könnte aus Altem schlichtweg Retro werden: „Wir haben einige Reaktionen darauf erhalten“, sagt Christian Franckenstein am Montag beim Pressegespräch über seine kürzlich im „Blickpunkt:Film“-Interview wiederholte Aussage, man könne sich ein Remake von „Das Boot“ gut vorstellen. Eine Nachricht, die auch in den USA interessiert zur Kenntnis genommen wurde. Von dort könnte auch Geld für das Wachstum der Bavaria Film kommen. Im Rahmen der sich gerade rapide diversifizierenden Finanzierung von TV- und Filmproduktionen können Rohnke und Franckenstein sich Koproduktionen mit internationalen Partnern als ein Wachstumsfeld vorstellen. Verwandt mit dieser Hoffnung sind andere Terms of Trade, die Bavaria Film mehr Erlöse aus der Rechteverwertung der eigenen Produktionen ermöglicht.

Es ist eine der drei neuen Säulen auf denen die Bavaria künftig fußt: Content und Studios & Services sind die anderen beiden. Unterhalb dieser Säulen werde man das Beteiligungsportfolio im laufenden Geschäftsjahr - das bei Bavaria Film bis 31. Januar läuft - bereinigen. Die Vielzahl der Beteiligten der Bavaria Film ist in der Branche beinahe legendär. Schon mehrfach hatte der erst im vergangenen Jahr von der MME nach München gewechselte Christian Franckenstein angekündigt, hier aufräumen zu wollen - allerdings nicht als Selbstzweck. Wie viele der Beteiligungen man halten, wie viele fusionieren und wie viele verkaufen will, wollten am Montag weder Kollege Rohnke noch er konkretisieren. Das bedürfe angesichts vieler 50/50-Beteiligungen ja auch strategischer Überlegungen bei den jeweiligen Partnern. Das Geschäftsjahr 2015, das betonen die beiden Geschäftsführer hingegen mehrfach, ist ein Jahr der Neustrukturierung von Bavaria Film. Beim Umsatz habe man den Rückgang der vergangenen Jahre gestoppt.

„Der Bann ist gebrochen.“

Die Rendite falle mit drei Prozent aber noch zu niedrig aus. Um allgemein steigende Kosten zu refinanzieren, will Franckenstein mittelfristig mindestens fünf Prozent Rendite erzielen. Das neue goldene TV-Zeitalter könnte dabei helfen. Wenn es um deutsche Serien-Produktionen geht, sagt Franckenstein: „Der Bann ist gebrochen.“ Er sehe eine neue Lust auf Prestige-Produktionen. So sind es zunächst nicht einmal Netflix und Amazon, die aktuell die Fantasien deutscher TV-Produzenten beflügeln. Hier wurden hohe Erwartungen aus der deutschen Produzentenlandschaft noch nicht erfüllt. Vielmehr sind es die deutschen Fernsehsender, die auf die neue Konkurrenz wieder mit mehr Leuchtturm-Programmen reagieren. Bavarias Leuchtturm liegt bekanntlich unter Wasser. Franckenstein und Rohnke würden gerne wieder auftauchen.