Von betörender Schlichtheit ist „Die runde Ecke“, in der schlicht und einfach Menschen Geschichten erzählen - nicht mehr und nicht weniger. Ein interessantes Doku-Projekt ist #Weltuntergang: Hier wird das verheerende Unwetter von Pfingsten 2014, das in NRW massive Schäden verursacht hat, aus der Sicht und mit den Bildern und Videos der Zuschauer aufbereitet. Recht provokant und unverfälscht wirkt die Doku-Reihe „Begehren“ über das Thema Sex und Liebe aus diversen Blickwinkeln.

Weniger gelungen wirken die ersten Eindrücke der Comedy „Die Mockridges“, die im Stile von „Pastewka“ fiktive Geschichten der echten Familie erzählt, und die Gameshow „Gefällt mir“, in der Matthias Opdenhövel und prominente Rategäste über Internetschnipsel rätseln. Weitaus charmanter und alles andere als belanglos verspricht „Das Lachen der Anderen“ zu werden. „Das ist ein echtes Wagnis“, sagt WDR-Intendant Buhrow über die Sendung, in der Micky Beisenherz und StandUp-Comedian Oliver Polak in für sie (und sicher auch den WDR-Zuschauer) fremde Lebenswelten eintauchen. Die Sendung teste mit Respekt Grenzen aus - eine öffentlich-rechtliche Tugend, sagt Buhrow.



Dabei sind alle diese und andere neue Formate sowie Anke Engelke als neue alte Fernsehansagerin sind noch nicht alles. Auch bestehende Programmmarken des WDR Fernsehens beteiligen sich mit ungewöhnlichen Themen oder Aufmachungen an der Programmoffensive. So gibt es u.a. "Quarks & Du", "markt" sendet "Die Politiker-WG" und "frauTV" wird zu „mannTV". Tom Buhrow ist auch darüber sehr erfreut: Der Experimentiergeist im Hause habe alle Redaktionen erfasst. Den Erfolg der Programmoffensive will Fernsehdirektor Jörg Schönenborn nicht an der Quote festmachen. „Erfolg bedeutet Aufmerksamkeit“, erklärt er am Freitag in der Kölner „Wohngemeinschaft“.

Ein Rassismus-Experiment im öffentlichen Personennahverkehr habe beispielsweise bereits Schlagzeilen gemacht. Es gehe - und das sei wichtiger als die Quote selbst - bei dieser Programmoffensive darum, mit einem Publikum in Kontakt zu kommen, dass den WDR sonst nicht auf dem Schirm hatte. Deswegen findet die Werbekampagne für die Programmoffensive nicht nur im eigenen Fernsehprogramm statt, sondern wird darüber hinaus mit Guerilla-Aktionen auf den Straßen, Bars und Kneipen der Städte in NRW sowie online und beim jungen Radio-Angebot 1Live verlängert.

Zentraler Kern der Kampagne ist der Hashtag #machtan, der bewusst mysteriös und zunächst ohne Hinweis auf den WDR auftaucht. So solle erstmal Neugier geweckt werden. Im Programm geht der Hashtag dann im neuen, doppeldeutigen Claim des WDR Fernsehen zu dieser Programmoffensive auf: „WDR - Macht den Westen an“. Dass man ab dem 24. August mit dieser Vielzahl an neuen, ungewohnten Programmen innerhalb des Kernpublikums vom WDR auch manchem vor den Kopf stoße, sei klar. Das müsse man in Kauf nehmen, wenn man Neues ausprobieren will.

„Wir sind nicht in der Midlife-Crisis. Wir haben Kraft. Dieser WDR ist ein Powerhouse.“

WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn

Warum eigentlich all das? Und warum jetzt? Das WDR Fernsehen feiert 50. Geburtstag. Statt einer nostalgischen Revue hat man YouTubern Zugang zum WDR-Archiv gewährt und daraus ein Format gemacht ("Mischen Impossible?!"). Zu bedächtig zurückzublicken, sei für einen Sender, der sich verändern muss, nicht der richtige Weg - sagt Fernsehdirektor Schönenborn und ergänzt mit Blick auf die vorgestellten Programme, die Kampagne und den neuen Claim: „Wir sind nicht in der Midlife-Crisis. Wir haben Kraft. Dieser WDR ist ein Powerhouse.“ Und in der Tat vermittelt man an diesem Freitagvormittag so viel Lust aufs eigene Programm wie selten.

Doch manche Gewohnheiten bleiben eben. Während dem Pressegespräch in der Kölner „Wohngemeinschaft“ ist im Kontrast zur vorgestellten Programmoffensive immer vom Regelprogramm die Rede. Gemeint ist also das WDR Fernsehen nach den zwei Ausnahme-Wochen mit dem „Feuerwerk“ (Buhrow). Im Sinne einer wirklich nachhaltigen Veränderung des WDR Fernsehens wäre es also wünschenswert, dass sich die Redewendung „Ausnahmen bestätigen die Regel“ für dieses Programmoffensive nicht gilt.

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