Das WDR Fernsehen feiert in diesen Tagen seinen 50. Geburtstag mit zahlreichen neuen Formaten, die nicht zuletzt jene Zuschauer ansprechen sollen, die den Sender für gewöhnlich eher selten sehen. Der große Quoten-Erfolg blieb bislang allerdings aus: So war das WDR Fernsehen etwa am Mittwoch mit nur 4,8 Prozent Marktanteil im Sendegebiet das mit Abstand schwächste Dritte Programm. Zur Halbzeit der Geburtstagswochen bat WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn die WDR-Belegschaft daher jetzt um Geduld.

"Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn die Quote am nächsten Morgen nicht ihrem eigenen Eindruck entspricht. Wir haben vieles produziert, was unser Publikum so nicht kennt und möglicherweise so nicht erwartet", so Schönenborn in einer E-Mail an die Mitarbeiter des Senders, aus der die Kollegen von "Meedia" zitieren. "Unser Ziel war ja, neue Zuschauerinnen und Zuschauer für das Programm zu gewinnen, und das gelingt nicht über Nacht. Deshalb sollte unser Urteil über die Sendungen nicht in erster Linie von Zahlen bestimmt sein."

Gleichzeitig betonte Schönenborn, dass "ein wichtiges Stück Arbeit" noch vor dem WDR liege, "nämlich die Auswertung der zahlreichen Formate und veränderten Regelsendungen". Die Programmoffensive habe sich erst dann gelohnt, "wenn wir sorgfältig abgewogen haben, wo die Stärken und Schwächen lagen", so der Fernsehdirektor in seiner Mail. Inhaltlich zeigte er sich aber durchaus zufrieden: "Ich habe in der vergangenen Woche mit so viel Begeisterung ferngesehen wie schon lange nicht mehr. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass ich damit nicht alleine stehe."

Und doch sieht so mancher Kollege die Experimentierfreude des Fernsehdirektors durchaus skeptisch. So wird dem Bericht zufolge in einer internen Facebook-Gruppe von freien Mitarbeitern eine "entsetzende Quotenentwicklung" kritisiert, mit der der WDR ganz schnell zum Spartensender werde. Jörg Schönenborn kann das nicht nachvollziehen: "Für die Programmoffensive gilt: Ihr Erfolg lässt sich nicht in Quoten messen. Unser Ziel ist es, Aufmerksamkeit zu erhalten bei Menschen, die das WDR Fernsehen bisher kaum oder gar nicht wahrnehmen", sagte er gegenüber "Meedia".

Die Fernsehdirektion hatte schon vor Wochen eindringlich begründet, wieso sich beim WDR etwas ändern müsse. Das Durchschnittsalter der WDR-Zuschauer liege inzwischen bei 64 Jahren und damit zwölf Jahre über dem allgemeinen Altersschnitt des TV-Publikums in NRW. Weil der WDR immer mehr ältere Zuschauer erreicht, die überdurchschnittlich lange fernsehen, schlug sich das bislang nicht in den Marktanteilen nieder - doch alarmierend sei, dass 2014 nur noch 3,94 Millionen Menschen in NRW mit dem WDR Fernsehen erreicht wurden, während es zehn Jahre zuvor noch knapp über fünf Millionen gewesen seien. Den Anspruch, die 35- bis 55-Jährigen für den WDR zurückzuerobern, hat Jörg Schönenborn daher schon vor einiger Zeit ausgegeben.