Mit "Meike & Marcel... weil ich dich liebe" ging RTL II bei seiner ersten Primetime-Serie auf Nummer Sicher und setzte auf einen Primetime-Ableger seines Erfolgs-Formats "Berlin - Tag & Nacht". Mit klassischer Fiction hatte das freilich nur bedingt zu tun. Doch auch die steht nun in den Startlöchern. Auf dem Filmfest Oldenburg feierte die dreiteilige Dramaserie "Gottlos - Warum Menschen töten" ihre Premiere. Die Adaption eines holländischen Formats ist ein überaus ambitioniertes Projekt, denn mit der deutschen liebsten Genre - den Krimis - hat es nicht viel gemein.

"Es geht zwar um Verbrechen, aber es gibt keine Ermittler", erklärt Regisseur Thomas Stiller. "Da wo 'Tatort' & Co. anfangen, hören wir auf." Konkret geht es also darum, die Vorgeschichte zu zeigen: Die Entstehung, Entwicklung und Eskalation eines Konflikts, der schließlich in einer Gewalttat endet. Bis zum Schluss weiß man dabei nicht, wer Opfer und wer Täter ist. "Uns hat an dem Format interessiert, dass jeder Mensch zum Mord oder Totschlag verleitet werden, wenn Situationen oder Beziehungen eskalieren", so Stiller.

Es gehe darum, Empathie - nicht Sympathie - auch für den späteren Mörder zu wecken. Die Zuschauer sollen nachvollziehen können, wie jemand dazu kommt, zu morden. "Es soll klar werden: Mir könnte das auch passieren. Niemand wird als Mörder geboren", erklärt Stiller. Schauspieler Matthias Koeberlin, der in einer der drei Folgen in einer Hauptrolle zu sehen ist: "Das ist die spannende Frage: Wo ist der Punkt, an dem jemand kippt, niederste Instinkte herauskommen und das Schlimmste und Teuflischste hochkommt - von jemandem, von dem man es gar nicht erwartet." Doch ist es okay, Empathie für Mörder zu wecken? Polizeipsychologin Claudia Brockmann erklärt: "Einfühlungsvermögen heißt, dass man jemanden versteht und sein Verhalten nachvollziehen kann - ohne zu sagen, dass das, was er getan hat, auch richtig ist."

Großes Lob gab's für die Verantwortlichen bei RTL II, die den Machern völlig freie Hand gelassen haben. Früher sei das vielleicht selbstverständlich gewesen, heute hingegen gehe der redaktionelle Einfluss bis zu Kostümen und Frisuren ins Absurde, so Thomas Stiller. "Das ist einfach ein sehr schönes Zeichen, dass die künstlerische Freiheit und die Visionen den Kreativen überlassen werden. Dafür werden sie schließlich angeheuert und bezahlt." Auch Matthias Koeberlin fand nur lobende Worte für die Drehbedingungen, obwohl relativ wenig Zeit zur Verfügung gestanden habe: "Dadurch dass wir frei waren und uns austoben konnten, waren die Tage anstrengend und lang, aber wahnsinnig produktiv. Man wusste am Ende des Tages: Das was wir gemacht haben war auch das, was wir wirklich wollten."