Trauer um Hellmuth Karasek: Der Literaturkritiker, Schriftsteller und Autor ist am Dienstag im Alter von 81 Jahren gestorben. Einem großen Publikum wurde er als Teil des "Literarischen Quartetts" bekannt: Mehr als zwölf Jahre saß er an der Seite von Marcel Reich-Ranicki, mit dem er sich legendäre Wortwechsel lieferte. Doch während Reich-Ranicki gerne polterte, ging Karasek feinsinniger zu Werke. Er selbst erzählte einmal, im Laufe der Jahre milder geworden zu sein. Zuletzt schreckte er nicht einmal davor zurück, den Ikea-Katalog zu rezensieren.

Dem Publikum stand Karasek damit näher als Reich-Ranicki - und so überrascht es nicht, dass er auch lange nach dem Ende des "Literarischen Quartetts", an diesem Freitag seine Wiederauferstehung feiert, einen festen Platz hatte in der Fernsehlandschaft. Während der vor zwei Jahren verstorbene "Literatur-Papst" einst mit der Verweigerung des Fernsehpreises für Unmut in der Branche sorgte, war sich Hellmuth Karasek auch für leichtere Unterhaltung nie zu schade. Als Talkshow-Gast war er stets gern gesehen und als prominenter Mitspieler in Jauchs SKL-Show oder Kerners "Quiz-Champion" überzeugte er nicht selten mit einem feinsinnigen Humor. Im vorigen Jahr machte er allerdings Schluss mit seinen Quiz-Auftritten. "Ich werde Einladungen in Quizshows künftig ablehnen, weil ich mir nicht mehr so viel merken kann. Für ABCD-Fragen würde es vielleicht noch reichen, aber ich will nicht als Volldepp enden", erklärte er damals.

Doch es war keineswegs bloß das Fernsehen, das ihn glücklich machte - und auch nicht allein die Besprechung von Büchern. "Die Glücksmomente in meinem Berufsleben erlebe ich nicht beim Fernsehen, nicht als Kritiker", sagte Karasek vor Jahren in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". "Ich erlebe sie bei Lesungen. Auf diesen Reisen kannst du die Nacht nicht schlafen, weil ein D-Zug an deinem Hotelfenster vorbeifährt. Dann hat dein Zug zur nächsten Stadt Verspätung, du schwitzt, weil du denkst, du kommst zu spät. Das alles ist furchtbar. Aber der Moment der Lesung ist unbezahlbar. Wenn die Leute dich für eine Zeit lang wirklich mögen."

"Hellmuth Karasek war süchtig: süchtig nach Literatur und süchtig nach dem Disput, gerne kontrovers aber immer vermittelnd, gerne auch humorvoll – ein in jeder Hinsicht engagierter Kulturvermittler eben. Wir werden ihn vermissen."
ZDF-Kulturchef Peter Arens

Gemocht wurde Karasek, 1934 in Mähren geboren, bis zu seinem Lebensende - und fast so lange hat er auch gearbeitet. Seine journalistische Karriere begann er bei der "Stuttgarter Zeitung", ab Ende der 60er Jahre wurde er Theaterkritiker bei der "Zeit". Von 1974 bis 1996 leitete Karasek schließlich das Kulturressort beim "Spiegel". Zum Bruch kam es, als das Nachrichtenmagazin einen Artikel über Helmut Dietls Film "Rossini" ablehnte, weil dieser angeblich weit unter seinem Niveau bleibe. In seinem Debütroman "Das Magazin" verarbeitete Karasek wenig später seine Zeit beim "Spiegel", mit der er sich jedoch versöhnte - und 2000 sogar wieder eine Titelgeschichte beisteuerte. Mehrere Jahre lang war Karasek als Mitherausgeber des "Tagesspiegels" tätig und arbeitete später als Autor für verschiedene Springer-Blätter.

Auch als Schriftsteller machte sich Hellmuth Karasek einen Namen und veröffentlichte in den vergangenen Jahren zahlreiche Bücher - darunter "Im Paradies gibt's keine roten Ampeln" und "Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht". Ohne Arbeiten ging es also bis ins hohe Alter nicht. "Ich bin mein ganzes Leben lang schon vom schlechten Gewissen gepeinigt. Wenn ich mal eine Nacht über die Stränge schlage und sehr toll feiere, dann muss ich in den Tagen darauf ungeheuer produktiv sein. Ich würde mir sonst so nichtig vorkommen", sagte Karasek einmal. Wie gut, dass er das so sah. Dem Publikum wären ansonsten viele wunderbare Momente entgangen.