Am Ende war es die unterlegene BBC, die am Samstag mit der Information in die Offensive ging: Die erfolgreiche britische Version von "The Voice" wird nur noch mit der fünften Staffel bei BBC One laufen, bestätigte der stellvertretende Fernseh-Chef Mark Linsey am Samstag in einem kurzen Statement. "Die BBC ist unglaublich stolz auf 'The Voice', aber die fünfte Staffel, welche im Januar startet, wird unsere letzte sein", kommentiert Linsey das Aus nach der kommenden Staffel und bestätigt damit, dass man den seit Monaten gehegten Kampf um das Format verloren hat.

"Wir haben immer gesagt, dass wir uns nicht in einen Bieter-Kampf begeben oder überhöhte Preise zahlen werden, um die Show zu behalten. Es ist ein Beleg dafür, wie sehr die BBC das Format aufgebaut und als Hauptstütze des Samstagabend-Line-Ups etabliert hat, dass ein anderer Sender es nun übernimmt." Mit dem Abschied von BBC One wird die Sendung nämlich längst nicht begraben. "The Voice UK" wechselt viel mehr vom öffentlich-rechtlichen ins kommerzielle Fernsehen und wird in Zukunft bei ITV laufen.

Der Privatsender hat sich zum Deal zwar noch nicht offiziell geäußert, bemüht sich aber bereits seit Monaten darum, die Castingshow in sein Programm aufnehmen zu können und profitierte in diesem Punkt wie kaum ein anderer von der neuen konservativen Regierung. Der neue Kulturstaatssekretär John Whittingdale, ausgesprochener Gegner der BBC, hat "The Voice" bereits kurz nach Amtsantritt öffentlich angezählt und darauf verwiesen, dass die BBC als öffentlich-rechtliches Medium keine Formate im Programm haben solle, die in ähnlicher Form auch bei privaten Anbietern stattfinden. Gemeint waren hier die Castingshows "Britain's Got Talent" und vor allem "The X Factor".

Diese Chance der eher bedenklichen Einflussnahme der Politik auf das Programmportfolio wusste ITV wohl überlegt für sich zu nutzen und kündigte rasch an, "The Voice UK" übernehmen zu wollen. Immer wieder untermauerte man beim Sender in den vergangenen Wochen, dass man es ernst meine. Erst in der vergangenen Woche schimmerte durch, dass ITV nicht nur mehr als die BBC zahlen wolle, sondern auch den Ableger "The Voice Kids" starten will, der bislang von der BBC nicht bedient wird.

Schon lange hegt ITV die nicht all zu kreativen und innovativen Pläne, die Casting-Lücke zu Beginn des Jahres zu schließen: "The X Factor" endet stets zur Weihnachtszeit, "Britain's Got Talent" startet allerdings stets erst im Frühling. Dazwischen soll es noch eine weitere Castingshow richten. Eigentlich sollte "Rising Star" in diesem Jahr bereits diese Aufgabe zukommen, doch nach dem Flop in Deutschland beerdigte der Sender das Projekt kurzerhand bereits vor dem Start. Nun kam die Chance, sich "The Voice" zu angeln, sehr gelegen.

Ein wichtiger Faktor, den beim Sender so schnell wohl keiner zugeben wird, ist allerdings auch die dadurch geschaffene größere Unabhängigkeit von Simon Cowell: "Britain's Got Talent" und "The X Factor" produziert er selbst und hat auch die Macht über Besetzung der Jury und Ablauf der Show. "The Voice" kommt hingegen von Talpa, das erst in diesem Jahr von ITV Studios übernommen wurde. Anders als bei den bisherigen Shows kann ITV bei "The Voice" also selbst die Produktion steuern und größeren Einfluss nehmen.

Immer wieder zählten britische Medien "The X Factor" in der Vergangenheit bereits an und erst kürzlich schlug Simon Cowell die Idee aus, das Format angesichts der stark gesunkenen Quoten einfach mal pausieren zu lassen. Auch ITV bekannte sich zwar stets zur Show. Die erfolgreichsten Zeiten mit über zehn Millionen Zuschauern hat "The X Factor" jedoch schon lange hinter sich und markierte erst am Wochenende mit 5,39 Millionen Zuschauern ein absolutes Tief. Ob wirklich dauerhaft Platz für zwei Gesangsshows sein wird? Dass ITV nun den Hauptkonkurrenten ins eigene Programm nimmt, stärkt Cowells Position nicht – und ist im Übrigen auch für Fremantle als internationaler Vertriebspartner des schwächelnden "X Factor", das nun als angezählt gelten darf, kein gutes Signal. Bei ITV hat man plötzlich auch eine gute und beliebte Alternative zu "The X Factor". Auch der "Guardian" zweifelt am Samstag an der Zukunft von "The X Factor", bringt aber den Bezahlsender Sky als potentiellen Interessenten im Falle einer Einstellung bei ITV ein.

Aus Quotensicht ist die Übernahme von "The Voice UK" für ITV nämlich vielversprechend: Die vergangene Staffel startete mit acht Millionen Zuschauern und konnte bis zum Finale an Ostern noch 6,31 Millionen Zuschauer halten. Das sind Werte, die "The X Factor" derzeit gerne verpasst. Die BBC hat "The Voice UK" dabei über die Jahre aufgebaut. Anfangs tat sich die Sendung nämlich noch schwer, weil sie direkt gegen den Hit "Britain's Got Talent" programmiert wurde. Als sie dann auf den Jahresbeginn vorgezogen wurde, stimmten auch die Quoten. Entsprechend ist es für die BBC ein herber Verlust: Abseits der Tanzshow "Strictly Come Dancing" gelang es in den vergangenen Jahren nicht, einen neuen Show-Hit am Samstagabend zu installieren – und künftig muss man also auch noch ein Mittel gegen die ehemals eigene Castingshow finden.