Eigentlich sind die "Löwen" daran gewöhnt, dass keiner an ihnen vorbei kommt. Dass sie es sind, die den Daumen über andere heben oder senken. Doch als sie am Samstag Abend im Filmforum NRW in Köln saßen, lag ihr Schicksal in den Händen der rund 740 Mitglieder der Deutschen Akademie für Fernsehen. Und die entschieden sich in der Kategorie Fernseh-Unterhaltung mehrheitlich nicht für die Investoren aus der erfolgreichen Vox-Show "Die Höhle der Löwen".

Der Preis ging vielmehr an das kleinste und schrägste der drei nominierten Formate: "Endlich Deutsch!", eine Mockumentary, mit der sich Autor, Regisseur und Produzent Lutz Heineking Jr. für den WDR an den Absurditäten der deutschen Einbürgerungskurse abgearbeitet hat. Die erste TV-Produktion der bislang auf Werbung und Kurzfilme spezialisierten Kölner Firma eitelsonnenschein vermischt gekonnt Dokumentation und Satire – und ließ bei der Abstimmung der Akademiemitglieder auch Michael Kessler mit "Kessler ist..." hinter sich.

 

Einen Abräumer des Abends – also eine Produktion, die in zahlreichen der insgesamt 21 Kategorien siegreich war – gab es dieses Jahr nicht. Dafür aber vier qualitativ herausragende öffentlich-rechtliche Fernsehfilme, die jeweils zwei Preise mit nach Hause nehmen durften. Für den ZDF-Dreiteiler "Tannbach – Schicksal eines Dorfes" wurden das Maskenbild von Gerhard Zeiss und Silka Lisku sowie die Musik von Fabian Römer geehrt. Für das ARD-Sozialdrama "Der Fall Bruckner" setzten sich Urs Egger in der Kategorie Regie und Claudia Simionescu, die verantwortliche Redakteurin vom Bayerischen Rundfunk, in der Kategorie Redaktion/Producing durch.

Zu den Doppel-Preisträgern gesellte sich auch die Neuverfilmung von "Nackt unter Wölfen" für die ARD. Kolja Brandt erhielt die Auszeichnung der Akademie für die beste Bildgestaltung, Denis Behnke für die beste VFX/Animation. Das ARD-Improvisationsexperiment "Altersglühen – Speed-Dating für Senioren" brachte Ulf Albert den Preis in der Kategorie Filmschnitt ein und Michael Eckelt, Geschäftsführer der Hamburger Riva Film, in der Kategorie Produzent. Letzterer setzte sich damit gegen Michael Souvignier (Zeitsprung, nominiert für "Landauer – Der Präsident") sowie Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann (bildundtonfabrik, "Neo Magazin Royale") durch.

"Diese geballte Qualität an einem Abend zu sehen, finde ich beglückend", sagte Schauspieler Ulrich Matthes, der für seine Nebenrolle in "Bornholmer Straße" ausgezeichnet wurde. "Da sieht man, zu welchen herausragenden Leistungen das deutsche Fernsehen fähig ist." Dass es im TV-Alltag freilich an allen Ecken knirscht, wurde einmal mehr auf dem Symposium der Akademie am Nachmittag vor der Preisverleihung deutlich. Vorstand Gerhard Schmidt kritisierte drei wesentliche Hindernisse: den übertriebenen Quotendruck bei ARD und ZDF, den Missbrauch von Programmgeldern für die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Anstalten und die zunehmende Konzentration der Programmentwicklung auf wenige Entscheidungsträger an der Spitze.

"Wir rufen 'Nicht ohne uns!' und verstehen das als Kampfansage an Strukturen, die so überholt sind, dass man sich fragt, warum man sich überhaupt noch mit ihnen beschäftigen soll", so Michael Brandner, Schauspieler und Vorstandsvorsitzender der Akademie. Wolfgang Herles, einstiger ZDF-Studioleiter in Bonn und "aspekte"-Chef, der die Reformunfähigkeit von ARD und ZDF schon in seinem Buch "Die Gefallsüchtigen" aufs Korn genommen hatte, legte auf dem Symposium nach. "Man kann heute eher im Vatikan über das Dogma der unbefleckten Empfängnis diskutieren als im ZDF über das Dogma der Quote", so Herles. "Im Internet würde man das Clickbaiting nennen, was heute auf einem Großteil der Fläche im Fernsehen stattfindet", ergänzte VideoDays-Geschäftsführer Christoph Krachten.

Dass ARD und ZDF immer noch "zu viele lineare Abspielkanäle" haben, merkte NRW-Medien-Staatssekretär Marc Jan Eumann an. "Wie lange wollen wir eigentlich noch ausschließlich über lineares Fernsehen reden?", so der SPD-Politiker. Ausbau und Weiterentwicklung der Mediatheken seien eine zentrale Zukunftsaufgabe, das kommende Jugendangebot eine "unverzichtbare Frischzellenkur". Schließlich hätten die Anstalten die jüngeren Alterskohorten lange genug ignoriert. Der interne Ärger darüber, dass die "blöde Politik" nur ein nonlineares Jugendangebot beauftragt habe, müsse jetzt zügig runtergeschluckt und in positive Energie verwandelt werden.

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