Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder mit teils deutlicher Kritik gegenüber der Bundesregierung an die Öffentlichkeit tritt, hat nun auch die öffentlich-rechtlichen Sender stark kritisiert. Besonders abgesehen hat es der Vorsitzende der CSU dabei in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" auf das ZDF. "Überspitzt gesagt: Wenn die nicht Livesendungen hätten, dann hätten sie wenige der Lebenswirklichkeit entsprechende Programminhalte", so Seehofer gegenüber dem Magazin.

Besonders kritisiert Seehofer die Berichterstattung zur Kölner Silvesternacht. Das ZDF hatte erst spät über die Vorfälle berichtet, zeigte sich aber bereits im Januar selbstkritisch und sprach von einer "klaren Fehleinschätzung" und einem "redaktionellen Versäumnis", nicht gleich am Montag in der Hauptausgabe der "heute"-Nachrichten berichtet zu haben. Für Seehofer war das aber offenbar nicht genug. "Zum Teil gab es eine Berichterstattung, die wenig mit der Realität zu tun hatte. Für mich ist viel zu häufig die persönliche Überzeugung der Autoren der Maßstab für die Berichterstattung", so Seehofer.

Kai Gniffke, der als Chefredakteur von ARD-aktuell auch für die "Tagesschau" und "Tagesthemen" verantwortlich ist, konterte bereits am Freitagabend mit einem ausführlichen Blogartikel und geht dabei auch auf die angeblichen Defizite zur Berichterstattung zur Silvesternacht ein. "Dabei weiß auch der Ministerpräsident, dass die Frauen erst nach und nach ihre Scham, ihren Ekel und das Trauma überwanden und sich der Polizei offenbarten", so Gniffke, der darauf verweist, dass das Ausmaß der Straftaten auf diese Weise erst nach und nach erkennbar gewesen sei.

Auch die Kritik an der Berichterstattung zur Flüchtlingskrise versucht Gniffke zu entkräften. "Wir zeigen seit Monaten eben nicht nur bemitleidenswerte Kinder-Kulleraugen, sondern reflektieren unsere Bildauswahl und versuchen die Ereignisse so realitätsnah abzubilden wie wir können", stellt Gniffke fest und verweist auf eine Äußerung wenige Wochen nach Beginn der Krise, als er warnte, sensibel sein zu müssen, "damit die Bildauswahl nicht allzu sehr auf Kinder fokussiert wird". Seehofer hatte im "Spiegel"-Gespräch gesagt, dass die ARD erklärt habe, dass sie viele flüchtende Frauen und Kinder gezeigt hätten, aber nicht im selben Maße die Männer.

Auch aus dem Landtag muss sich Seehofer Kritik gefallen lassen, nämlich von den Grünen im bayerischen Landtag. Nach Recherchen der Partei hat sich die CSU im vergangenen Jahr im Fernsehrat des ZDF äußerst rar gemacht. Demnach habe Markus Söder an keiner einzigen Sitzung des Fernsehrates teilgenommen, Seehofer nur an zwei von insgesamt sechs Sitzungen. "Es sieht so aus, als ob CSU-Politiker lieber hintenrum mit Beschwerdebriefen und Telefonanrufen beim Intendanten Einfluss auf das ZDF-Programm nehmen als transparent in den offiziellen Arbeits- und Kontrollgremien mitzuwirken", kritisiert Ludwig Hartmann als Vorsitzender der Landtags-Grünen.

"Wenn es berechtigte Kritik oder Zweifel an der Ausgewogenheit der Berichterstattung gibt, dann sind diese genau in diesen Gremien vorzubringen", so Hartmann weiter. Die Grünen kritisieren dabei auch, dass die CSU sich aktiv dafür eingesetzt habe, nach der Reform des ZDF-Staatsvertrages weiterhin Regierungsvertreter in die Aufsichtsgremien entsenden zu können, statt sich für eine staatsferne Aufsicht einzusetzen. "Seehofer, Söder & Co. wollen auch künftig noch beim ZDF mitregieren - oder es zumindest versuchen. Es geht ihnen nicht um aktive Mitarbeit in den Gremien, sondern einzig darum, durch Stimmrechte in Kontrollorganen gegenüber den Redaktionen der Sender Druck aufzubauen - und das ist unlauter", meint Hartmann.