Als das Kölner Landgericht im Herbst letzten Jahres dem Springer-Verlag aufbrummte, die Rekordsumme von 635.000 Euro wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte während der Berichterstattung über den Strafprozess zu zahlen, wetterte der Verlag über eine "irrwitzige Geldentschädigung" und ging in Berufung. Schon nach einer vorläufigen Würdigung des Berufungsgerichts war klar, dass die Summe nach unten korrigiert würde. Nun steht fest, wieviel Springer an Kachelmann überweisen muss: Statt 635.000 Euro sind es nun "nur" noch 395.000 Euro - was aber trotzdem nur knapp unter der bisherigen Rekordsumme von 400.000 Euro liegt. Weil auch noch Zinsen dazu kommen, muss Springer insgesamt 512.785,66 Euro überweisen. Kachelmann hatte ursprünglich 2,25 Millionen Euro gefordert, die Summe im Berufungsverfahren auf 950.000 Euro reduziert.

Wie zuvor schon das Landgericht sah auch das Oberlandesgericht eine "zielgerichtete Pressekampagne" nicht als erwiesen an, denn über den Verdacht einer Sexualstraftat habe auch mit Rücksicht auf die Prominenz Kachelmanns demnach grundsätzlich berichtet werden dürfen. Auch über die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu Tage getreteten Umstände aus dem Privat- und Beziehungsleben hatte berichtet werden dürfen. Trotzdem gab es auch laut OLG etliche Rechts-Verstöße durch "Bild" und "Bild.de".

Unrechtmäßig war nämlich beispielsweise die Veröffentlichung von 13 Bildern, die Kachelmann etwa im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin, als Untersuchungshäftling im Hof der Justizvollzugsanstalt, im Urlaub, am Ort seiner Hochzeit oder mit nacktem Oberkörper zeigten. Insbesondere bei letzterem sei Kachelmann "unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums vorgeführt worden" - und zwar vorsätzlich, weil Springer die Veröffentlichung ähnlicher Bilder bereits untersagt worden war. 235.000 Euro kostet den Verlag dieses Vorgehen. 70.000 Euro gibt's wegen Verletzung seiner Geheimsphäre etwa durch Veröffentlichung privater SMS und Angaben zu seiner gesundheitlichen Situation.

40.000 Euro werden Kachelmann wegen Verletzung seiner Intimsphäse zugesprochen. Hier ging es um die Veröffentlichung von Details aus seinem Sexualleben. Hier liegt der Hauptunterschied zum Urteil der Vorinstanz: Sofern die Inhalte auch im Strafverfahren zur Sprache gekommen waren, hat "Bild" darüber nämlich auch berichten dürfen, so das OLG. Und schließlich erhält Kachelmann auch 50.000 Euro wegen unzulässiger Vorverurteilung. Geld wegen Falschberichterstattung bekommt Kachelmann nicht, obwohl es falsche Berichte gegeben habe. "Eine Geldentschädigung sei nicht geboten, da der Kläger in seinem eigenen Buch ähnliche Details geschildert habe", so das Gericht.

Alles in allem ist das Urteil also in etlichen Fällen keinesfalls eine Billigung der Berichterstattung durch "Bild". Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht der Axel Springer SE, sieht sich trotzdem als Sieger: "Das Urteil zeigt: Mit seiner absurd hohen Millionen-Klage ist Jörg Kachelmann gescheitert, in zweiter Instanz ist ihm jetzt nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Forderung zugesprochen worden. Von der Zulässigkeit unserer Berichterstattung sind wir nach wie vor überzeugt – ob wir Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, werden wir nach einer genauen Prüfung der Urteilsgründe entscheiden." Die Nichtzulassungsbeschwerde ist das letzte rechtliche Mittel, das Springer bleibt, weil das Oberlandesgericht eine Revision nicht zugelassen hat.

Zufrieden zeigt sich aber auch Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker: "512.785,66 Euro inklusive Zinsen können das, was Springer im Leben des Herrn Kachelmann angerichtet hat, natürlich nicht ausgleichen und abschreckend wirkt eine solche Strafzahlung auch nicht. Trotzdem freuen wir uns, dass auch das OLG dem Mandanten eine ganz erhebliche Entschädigung zugesprochen und damit den Persönlichkeitsschutz in Deutschland weiter vorangetrieben hat."