Die Lust auf Online-Video ist nicht grenzenlos beim größten europäischen TV-Konzern, der die Branche mit seiner Investitionslust im Digitalen in den vergangenen Jahren ohnehin überraschte. Zuvor fuhr die RTL Group stets einen konservativen Kurs bei neuen Geschäftsmodellen, deren Nachhaltigkeit noch nicht absehbar ist. Plötzlich aber wurde investiert, u.a. in das  kanadische Multi-Channel-Network Broadband TV.

Im Juni 2013 hatte die Bertelsmann-Tochter 51 Prozent an Broadband TV übernommen und eine Kaufoption für die ausstehenden 49 Prozent abgeschlossen. Der Deal gehörte zu den ersten MCN-Übernahmen seiner Art und mit nur 27 Millionen Euro ein vergleichsweise kleines Investment. Die Fantasie im Markt hat die Bewertungen der Multi-Channel-Networks in der Zwischenzeit explodieren lassen.

Dass die RTL Group jetzt mitteilt, vier Jahre nach dem Einstieg an einem kostspieligen Erwerb der restlichen 49 Prozent nicht mehr interessiert zu sein, folgt einer wieder konservativeren Taktik. Dem zwischenzeitlichen Rausch nach Umsatzwachstum steht die Haltung gegenüber, zum richtigen Augenblick Kasse zu machen bei den MCNs. Ein Sprecher der RTL Group bestätigt im Gespräch mit DWDL.de die drei Optionen: Entweder es komme zum Verkauf, zu einer Zusammenarbeit mit einem neuen strategischen Partner oder einem Börsengang.

CEO von Broadband TV ist Shahrzad Rafati, gleichzeitig auch größte Minderheitsaktionärin. Gegenüber US-Medien äußerte sie sich zuversichtlich, einen neuen Investor zu finden. Die Tatsache, dass Broadband TV operativ nie richtig in die RTL Group integriert wurde sondern wie unabhängig agierte, würde dies maßgeblich erleichtern. Rafati bewertet den Wert ihres MCNs optimistisch und sehr selbstbewusst kurzerhand mit einer Milliarde kanadischer Dollar. Eine Bewertung die erklärt, warum die RTL Group keine weiteren Anteile übernehmen will und lieber -  mit ordentlich Aufpreis zum Investment vor vier Jahren - Kasse machen möchte.

Für die Digitalstrategie des Luxemburger Medienkonzerns war Broadband TV anfangs mal der Mittelpunkt. Längst war man aber, wie eingangs erwähnt, auf großer Shoppingtour und hat seine zahlreichen Beteiligungen im RTL Digital Hub gebündelt. Eine Trennung von Broadband TV erscheint angesichts der noch immer nicht absehbaren Zukunft der Gattung MCN erscheint damit weniger wie ein strategischer Rückzug und dafür mehr kaufmännisch sinnvoll. Wenn sich jemand finden sollte. Man habe sich für den Prozess bis Ende des Jahres Zeit gegeben, so ein Sprecher der  RTL Group.