Schon Ende Dezember berichtete die "Bild", dass die Türkei einen Haftbefehl gegen "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel ausgestellt habe - seitdem schweig Yücel unter anderem auf Twitter. Nun bestätigt die Zeitung, dass sich Yücel in Polizeigewahrsam befinde. So habe sich der Journalist bereits am Dienstag auf das Polizeipräsidium in Istanbul begeben, um sich den Fragen der Ermittler zu stellen. Gesucht wurde er offenbar wegen Berichten über eine Hacker-Attacke auf das Mail-Postfach des türkischen Energieministers. Die Behörden werfen ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Datenmissbrauch und Terrorpropaganda vor.

"Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt sagt zur aktuellen Situation: "Unser Korrespondent Deniz Yücel leistet exzellente Arbeit. Die türkische Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Türkei ein Rechtsstaat ist. Darum vertrauen wir darauf, dass ein faires Verfahren seine Unschuld ergeben wird." Gleichzeitig appelliert Poschardt an die türkischen Behörden, keine Untersuchungshaft zu verhängen. "Deniz Yücel hat seine Bereitschaft gezeigt, an einem rechtsstaatlichen Verfahren mitzuwirken. Das und die Würdigung der Pressefreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung festgeschrieben ist, sollten in die Entscheidung einfließen."

In der Türkei herrscht derzeit Ausnahmezustand, im Zuge dessen Yücel bis zu 14 Tage ohne Anhörung in Polizeigewahrsam bleiben kann. Danach muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob eine Untersuchungshaft beantragt wird. Im Falle einer Verurteilung muss Yücel mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Wie die "Welt" weiter berichtet, sind im Zuge des Mail-Skandals sechs weitere Journalisten von türkischen Medien festgenommen worden, drei von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft.

Laut "Welt" besitzt Yücel neben der türkischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit und hat, wie viele andere Journalisten, über die geleakten Mails, die das Hacker-Kollektiv RedHack aus dem privaten Mail-Konto des Energieministers beschafft hatte, berichtet. Inzwischen sind die Mails von Wikileaks öffentlich gemacht worden. In den Mails ging es laut "Welt" unter anderem um die Kontrolle türkischer Medienkonzerne und die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch Fake-Nutzer bei Twitter. Besonders pikant, aber auch nicht wirklich überraschend: Der türkische Energieminister ist der Schwiegersohn von Recep Tayyip Erdogan.