2018 hat die WDR-Journalistin Ann-Kathrin Stracke den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing in Paris getroffen. Mit dabei hatte die Fernsehjournalistin auch noch einen Kameramann und eine Tonassistentin. Anlass für das Treffen war ein Beitrag zum 100. Geburtstag von Helmut Schmidt, d'Estaing war ein Weggefährte des deutschen Kanzlers. Nun erhebt Stracke in der kommenden Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" öffentlich Belästigungsvorwürfe gegen den mittlerweile 94-jährigen d'Estaing.

Demnach soll der Ex-Präsident der Journalistin nach dem Treffen bei einem Foto den Arm um die Taille gelegt haben. Danach sei er in Richtung Gesäß gewandert. Das hat sich kurz danach bei beim Ansehen von Fotos angeblich wiederholt. Stracke versuchte nach eigenen Angaben auszuweichen, d'Estaing sei ihr aber gefolgt. Auch Versuche, den Mann wegzudrücken, seien gescheitert. Der Kameramann soll daraufhin eine Lampe umgeworfen haben, um seiner Kollegin aus der Situation zu befreien. 

Der Vorfall wird erst jetzt öffentlich, aber bereits kurz danach meldete Stracke den Vorfall einem Vorgesetzten. Der WDR beauftragte daraufhin eine externe Kanzlei, um den Vorfall zu untersuchen und zu dokumentieren. Die Tonassistentin soll das Geschehen zunächst bestätigt haben, wollte sich danach aber laut Darstellung in der "SZ" nicht mehr äußern. Der Kameramann bestätigte den Vorfall und erklärte, er habe die Situation "als etwas befremdlich und einem ehemaligen Staatspräsidenten nicht angemessen empfunden". Insgesamt kommt die Anwaltskanzlei zu dem Ergebnis, die Schilderung sei glaubhaft. 

Auf Anfrage im Büro von Giscard d'Estaing erklärte dieses gegenüber der "SZ", der Ex-Präsident könne sich weder an die Situation noch an das Interview erinnern. Dem 94-Jährigen tue es leid, sollten die Vorwürfe stimmen. Der Bürochef wies auf das hohe Alter des ehemaligen Staatspräsidenten hin. 

Stracke selbst erklärte gegenüber der "SZ", sie sei damals zu perplex gewesen, um in der Situation etwas zu sagen. "Das Gespräch lief sehr gut. Ich habe es überhaupt nicht für möglich gehalten, dass so etwas passieren könnte." Im Zuge der MeToo-Debatte habe sie sich nun dazu entschieden, den Vorfall öffentlich zu machen. "Diese hat mir gezeigt, wie wichtig eine gesellschaftliche Diskussion über dieses Thema ist." Die Journalistin hat mittlerweile auch Strafanzeige erstattet, diese ist am 12. März bei der Staatsanwaltschaft in Paris eingegangen. 

Bereits im Juni 2019 schickte eine Pariser Anwaltskanzlei im Namen des WDR einen Protestbrief an das Büro von d'Estaing. Darin heißt es laut "SZ" unter anderem, dass Stracke "sehr schockiert" über das Verhalten des Ex-Präsidenten sei. Man rüge dies als "inakzeptabel". Außerdem heißt es in dem Brief weiter: "Wir werden es nicht dulden, dass unsere Mitarbeiter mit derartigen Situationen konfrontiert werden und hoffen sehr, dass sich ein derartiges Verhalten (...) nicht wiederholen wird."