Eigentlich dürfte es Juliane von Schwerin an Übung im Umgang mit Krisen, Shitstorms und Skandalen nicht fehlen. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet sie im NDR, seit Ende 2022 als stellvertretende Programmdirektorin und Programmbereichsleiterin Gesellschaft. Als sie in den drei Jahren zuvor das Büro des nun Ex-Intendanten Joachim Knuth leitete, machten die Landesfunkhäuser Kiel und Hamburg wegen Fehlverhaltens Schlagzeilen. Dann „zerstörte“ der Youtuber Rezo in einem Video die Glaubwürdigkeit der Redaktion von „Strg_F“.

Aber das war nichts im Vergleich zum Tsunami rund um das Reportagemagazin „Klar“ und dessen Moderatorin Julia Ruhs, der in den vergangenen Wochen nur scheinbar an Kraft verloren hat.

In seiner aktuellen Titelgeschichte rekonstruiert „Der Spiegel“ den Hergang, „wie sich die ARD im Fall Julia Ruhs blamierte“. Und macht dabei anschaulich, dass es beim NDR offenbar nach wie vor keine funktionierenden Konzepte gibt, wie mit solchen Krisen umzugehen ist, sowohl was die Kommunikation nach außen angeht als auch den Umgang mit Fehlern intern.

Der Name Juliane von Schwerin taucht in der „Spiegel“-Story nur einmal auf, als es um eine Krisensitzung von BR und NDR Anfang September geht. Welche Rolle sie genau in dieser öffentlich-rechtlichen Selbstzerstörung spielte, die ja eigentlich im April als Rettungsversuch auf NDR-Initiative gestartet war? Bleibt dort unklar.

Juliane von Schwerin © NDR/Hendrik Lüders
Klar ist bislang nur, dass die Verantwortung für die kommenden NDR-Ausgaben von „Klar“ bei ihr liegt. Die Hauptprogrammbereichsleiterin, die unter anderem für den ARD-Polittalk „Caren Miosga“ und besagtes, junges Rechercheformat „Strg_F“ zuständig ist, muss also den Kopf hinhalten, sollte es nicht gelingen, bei der Neuaufsetzung auch Menschen mit einem konservativen Weltbild anzusprechen UND die Leute im eigenen Laden zu befrieden.

Denn das ist auch klar: Mieser als jetzt kann die Stimmung im Norden kaum sein, seit 250 interne Briefeschreiber öffentlich gegen die junge, konservative Moderatorin Julia Ruhs revoltierten, von der sich dann der Sender im September per Pressemitteilung zwischen den Zeilen trennte. Ruhs wird im neuen Jahr nur noch die vom BR produzierten Sendungen moderieren – was die NDR-Managerin von Schwerin im Interview mit der „Zeit“ mit dem bemerkenswerten Satz kommentierte: „Hier wird niemand gecancelt.“

Sie behauptete gegenüber der Wochenzeitung auch, dass sich die Kritik an „Klar“, vor allem an der ersten Folge über illegale Migration, im eigenen Haus „am journalistischen Handwerk entzündet“ habe, „nicht an den politischen Überzeugungen der Moderatorin“.

Was sie selbst betrifft – das vorneweg – gibt sie für diese „Nahaufnahme“ das Zitat frei: „Mir ist am Ende die politische Haltung egal, solange er oder sie journalistisch sauber arbeitet. Ahnung finde ich wichtiger als Haltung.“ Und: Sie wolle „kein Fernsehen für konservative Gruppen, ebenso wenig wie für linke“. „Ich will, dass wir Perspektiven einnehmen, die wir vielleicht manchmal außer Acht gelassen haben.“

Ob das wirklich so stimmt, ziehen manche im NDR allerdings in Zweifel. Man verortet sie dort politisch eher im nicht-rechten Lager, bestens vernetzt in der Hamburger Medien-Society einschließlich der SPD-geführten Behörde für Kultur und Medien. Und man erzählt sich, dass Köpfe mit Konzepten, die von der zum Beispiel von „Reschke Fernsehen“ bedienten linksliberalen Linie abweichen, erfolglos bei ihr antichambriert hätten.

Für das von Anja Reschke moderierte lustige Journalismus-Format (worüber Reschke in dieser „Nahaufnahme“ sprach) ist Juliane von Schwerin jedenfalls ebenso zuständig wie für den Kneipen-Talk „Inas Nacht“, dazu für Dokumentationen, Service, Gesundheit, Tierfilme, Arte, Funk-Formate und politischen Talk. So viel zur Einordnung. Auf geht’s zum Gespräch, das am Montagnachmittag dieser Woche digital stattfindet.

Es meldet sich eine beschwingte Juliane von Schwerin. Goldknöpfe schimmern auf ihrem Bouclé-Blazer. Sie hat sich offenbar schon schick gemacht für den anschließenden Abendtermin, eine Veranstaltung mit Vizekanzler Lars Klingbeil bei der „Zeit“. Sie weiß zu dem Zeitpunkt zwar schon, dass vom „Sturmgeschütz der Demokratie“, also vom „Spiegel“, mutmaßlich wenig freundliche Berichterstattung kommen wird, nur nicht wann genau. Grund ihrer guten Laune ist das gute Abschneiden des Doku-Projekts „Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen“ über die sogenannten Nürnberger Prozesse, das aus ihrem Programmbereich stammt.

Als sie frühmorgens im Badezimmer stand und die Zuschauerzahlen vom Sonntag auf Teletexttafel 448 checkte, ging es in der Chat-Gruppe mit ihrem Team hoch her. Die Quote, auch in absoluten Zahlen, lag „wie ein Brett“; wer im Film drin war, blieb dabei. Grad vor unserem Gespräch habe sie noch mit einem überglücklichen Francis Fulton-Smith telefoniert, der in „Nürnberg 45“ Göring spielt (übrigens mephistophelisch-überzeugend), erzählt von Schwerin. „Wenn so viele sagen und schreiben, das ist öffentlich-rechtliches Fernsehen, wie es sein sollte, und wir damit auch erfolgreich sind, also viele Menschen erreichen, dann macht mich das sehr glücklich. Insofern war dieser Morgen ein besonders schöner in meinem Job.“

Für die Umsetzung und Finanzierung von „Nürnberg 45“ hat sie sich sehr engagiert, weil es ihr „ein Herzensanliegen ist, dieses Kapitel deutscher Geschichte emotional, jung und modern zu erzählen“. Nicht nur aus ihrem Geschichtsstudium an der FU in Berlin und der Columbia in New York kann man auch ein persönliches Interesse ableiten. Juliane Gräfin von Schwerin von Schwanenfeld, Jg. 1971, hat in eine Familie eingeheiratet, die andere, weit krassere Gerichtserfahrungen machen musste als im Film. Der Vater ihres Schwiegervaters war einer der Widerstandskämpfer um Graf Stauffenberg und wurde von den Nazis zum Tode verurteilt.

"Nicht sonderlich fernsehsozialisiert"

Sie selbst stammt aus Goslar, einmal „die reichste Stadt Sachsens“ (im 12. Jahrhundert) und bis zur Wende Zonenrandgebiet. In ihrer Kindheit und Jugend war dort neben den Öffentlich-Rechtlichen auch der DDR-Staatsfunk zu empfangen, doch vom Elternhaus her wurde sie „nicht sonderlich fernsehsozialisiert“. Noch heute lese sie lieber, als dass sie gucke. In den Journalismus wollte sie schon immer, es war aber nicht gesetzt, dass ihr Weg sie zum Fernsehen führt.

Nach dem Abitur im Jahr 1991 beginnt Juliane von Schwerin eine kaufmännische Lehre bei Gruner + Jahr. Währenddessen und auch danach arbeitet sie in verschiedenen Redaktionen wie dem Hamburger Revolverblatt „Mopo“ und der „Berliner Zeitung“. Bei der „Brigitte“ hat sie sogar einen eigenen kleinen Artikelkasten. Für die Zeitschrift zu schreiben, die ihre Mutter im Abo hat – für die Tochter „ein irres Gefühl“. Als sich eine Freundin für ein Programmvolontariat beim NDR interessiert, bewirbt sie sich gleich mit. Und geht nie mehr weg.

Im selben Ausbildungsjahrgang ist übrigens ein gewisser Hendrik Lünenborg, seit 1. September NDR-Intendant. Während er nach dem Volo eine erste Stelle in der Landespolitik im Funkhaus Hannover bekommt, landet sie in der Unterhaltung. Sie betreut „Die Goldene Eins“ mit Ingo Dubinski und den Grand Prix (heute ESC), bis die Journalistenikone des Hauses, Kuno Haberbusch, zu ihr sagt: „Juliane, das bist du thematisch doch gar nicht. Jetzt komm mal zu mir.“ Also zu „Panorama“ und „extra3“. Die Karriere im NDR-Zeitgeschehen verfolgt die Jungredakteurin ab 2003 allerdings gebremst. Vorrang hat die Familienplanung.

In den folgenden sieben Jahren bringt Juliane von Schwerin Kind 1, Kind 2, Kind 3 und Kind 4 auf die Welt – und wechselt dafür in den nicht-tagesaktuellen und deshalb kinderkompatibleren Bereich Formatentwicklung, wo sie sich um den „Tag der Norddeutschen“ oder den NDR-Schwerpunkt zu 20 Jahre Mauerfall kümmert. Ab 2013 ist die vierfache Mutter dann wieder on track, als verantwortliche Redakteurin für den Polit-Talk „Anne Will“. Bevor sie zur Sendung nach Berlin aufbricht, wird am Frühstückstisch über das jeweilige Thema diskutiert. Die Älteren dürfen abends kritisch gucken und Feedback geben. Ob „total einseitig“ oder „nicht genug nachgefragt“: Es sind „spannende Diskussionen“ und immer ein wertvolles Korrektiv für die working mum.

Überhaupt scheint man bei den von Schwerins auch im erweiterten Familienkreis sehr diskussionsfreudig zu sein. Aus dem Austausch mit Nichten und Neffen holt sich die NDR-Managerin regelmäßig ein besseres Gefühl, wo die junge Zielgruppe unterwegs ist und wie ihr Sender Marken und Inhalte besser in deren Welt bringen kann.

Auf andere Art horizonterweiternd ist Juliane von Schwerins Karriereschritt im Januar 2020 ins Büro von Joachim Knuth, denn als Leiterin der Intendanz kann sie ihren Sender nun quasi aus der Vogelperspektive betrachten und sehen, was alle anderen machen und wie gut und wichtig das Zusammenspiel zwischen den Bereichen ist. Dieser ganz neue Blick aufs Haus und die gesamte ARD wird indes getrübt, und zwar nicht nur durch den Ausbruch der Pandemie und das größte Kürzungs- und Einschnittspaket in der Geschichte des NDR.

"Wie ein Knacks in der Beziehung"

Erst beginnen im Sommer 2022 die Patricia-Schlesinger-Chaostage beim RBB, dann beginnt es beim NDR zu brodeln. Vetternwirtschaft und politisch gefärbte „Hofberichterstattung“ in den Funkhäusern Hamburg und Kiel stehen als Vorwurf im Raum. Die von Schwerins sind gerade auf Familienurlaub, als der Intendant anruft: „Juliane, du musst zurückkommen, hier brennt die Hütte.“

Für die Büroleiterin beginnt eine „sehr harte und auch belastende Zeit“, weil nicht mehr gilt, was sie immer dachte: „Beim NDR, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind wir die Guten. Deine Freunde in der Privatwirtschaft sind vielleicht cooler oder verdienen mehr, aber du bist auf der ,richtigen Seite‘.“ Sie erinnert sich an ihre Volo-Station in Kiel, als es „nur positive Reaktionen“ gab, wenn sie mit dem NDR-Fahrzeug unterwegs war. „Und plötzlich kam diese Welle über uns, und es brach sich Bahn, was sich wahrscheinlich über längere Zeit aufgestaut hatte: dass viele Menschen uns nicht mehr so vertrauen, nicht mehr so liebhaben. Das tat weh, es war wie ein Knacks in der Beziehung.“

Ein 100-seitiger „Klimabericht“ im Auftrag der Intendanz soll die Unternehmenskultur im NDR verbessern helfen. Juliane von Schwerin wirkte daran mit. Jemand, der sie gut kennt, attestiert ihr „Fingerspitzengefühl“ im Umgang mit der Krise. Allerdings, das sieht sie selbst so: „Wenn man die Diskussionen der letzten Wochen und Monate verfolgt, würde ich bilanzieren, dass wir noch nicht am Ende angekommen sind, wie wir hier miteinander umgehen wollen.“

In der Causa Julia Ruhs fällt besonders jene Frau auf, der Juliane von Schwerin gewissermaßen den nächsten Sprung in der NDR-Hierarchie verdankt: Anja Reschke.

Zum Januar 2023 hatte diese die Leitung des Programmbereichs Kultur und Dokumentation aufgegeben für eine Sendung, die ihren Namen trägt. Von den 350 festen und freien Mitarbeitenden sollen einige sehr erleichtert über Reschkes Rausgehen aus der Hierarchie gewesen sein. Denn so meinungsstark und explosiv wie auf dem Bildschirm soll sich die Moderatorin auch in der Führung gegeben haben. Die Zündschnur der neuen Chefin, also Juliane von Schwerin, sei dagegen deutlich länger. Sie wird als eher besonnen und bedächtig beschrieben, als konziliant und konstruktiv.

Reschke heizte jedenfalls das Feuer um „Klar“ in ihrer eigenen Sendung mit einem Gag („ein bisschen rechtsextrem“) an, der als Kollegenmobbing wahrgenommen wurde. Und da stellt sich die Frage: Wie geht man als Reschkes Vorgesetzte, die sich für besseres NDR-Klima einsetzt, damit um?

 

"In einer Kultur des Miteinanders, wie ich sie mir wünsche, schreibt man keine Briefe oder gibt Dinge an Dritte weiter, sondern man nimmt den Hörer in die Hand und ruft an."

 

„Wenn ich davon vorher gewusst hätte, hätten wir sehr ausführlich darüber diskutiert“, antwortet Juliane von Schwerin. Was sie nach vielen Gesprächen im Nachhinein mit allen Beteiligten sicher sagen könne: „Es war nicht so unkollegial gemeint, wie es bei vielen ankam. Dass Anja Reschke für die Nicht-Weiter-Beschäftigung von Julia Ruhs agitiert hätte, stimmt nicht.“

Am liebsten wäre es der Stellvertreterin von Programmdirektor Frank Beckmann, der ja mit den Anstoß für „Klar“ gegeben haben soll, wenn man nicht mehr so viel zurückschaut, sondern nach vorne. Sie findet, dass schon alles von allen gesagt wurde. Um eine Antwort, welches Learning sie aus den internen Streitereien und Verletzungen zieht, kommt sie hier aber nicht herum.

So bedauert sie zum Beispiel, dass der Unmut über das im NDR produzierte Produkt nach außen getragen wurde: „In einer Kultur des Miteinanders, wie ich sie mir wünsche, schreibt man keine Briefe oder gibt Dinge an Dritte weiter, sondern man nimmt den Hörer in die Hand und ruft an.“

Das, nur am Rande, nimmt sich Juliane von Schwerin auch im Umgang mit motzenden Zuschauern zu Herzen. Vor einigen Jahren klingelte sie auf Heimatbesuch in Goslar bei einem eifrigen Briefeschreiber. Der reizende, ältere Herr bekam fast einen Herzinfarkt, weil plötzlich die Juliane von Schwerin aus dem Abspann von „Anne Will“ vor ihm stand. Das Gespräch war kurz, aber nett. Danach kam nie wieder ein böser Brief. Spätestens seither hält sie viel davon, den Menschen zu erklären, „was wir machen und wie wir es machen, auch was für Zwänge es manchmal gibt, die sie nicht kennen.“

Zurück zur „Klar“-Debatte: Sie sei „schon auch sehr demütig geworden“ angesichts der Erkenntnis, dass der NDR, die ARD mit der in der Breite Perspektivenfalt der Angebote bei vielen Menschen nicht durchdringen oder nicht den richtigen Ton treffen, fährt Juliane von Schwerin fort: „Wir müssen noch mehr die Nähe zum Publikum suchen, erklären und zuhören, auch Meinungen zulassen, die man vielleicht selbst nicht teilt, und vor allem nicht belehren.“ Das manche den Begriff „Belehrungsfernsehen“ verwendeten, könne sie nachvollziehen.

Juliane von Schwerin © NDR/Hendrik Lüders
Und sie hat das Gefühl: „Es ist jetzt bei vielen angekommen, dass wir mit dem ,Wir wissen alles besser‘-Impetus nicht weiterkommen, sondern vor allem mit ausgewogener Berichterstattung und gutem, mutigem Journalismus.“

Spannend wird, wie Juliane von Schwerin diesen Ansatz bei „Klar“ umsetzt.

Sie macht kein Hehl daraus, dass auch sie manches an der ersten Folge gestört habe; dass ihr das „Verbindende“ in der Moderation gefehlt habe. Während der BR „Klar“ weitermacht mit Julia Ruhs, wird die NDR-Ausgaben, wie gemeldet, Tanit Koch präsentieren. Die ehemalige „Bild“-Chefredakteurin und ntv-Geschäftsführerin hat Juliane von Schwerin höchstpersönlich und wie ein Ass aus dem Ärmel geschüttelt. Der Druck im Kessel war damit erstmal raus.

Die beiden Frauen kennen sich schon eine Weile, trafen sich immer mal wieder bei Veranstaltungen, auf der Berlinale, bei den iEmmys. „Wir unterhalten uns gerne. Wir streiten auch, aber wir vertrauen uns.“ Analog zu den Köpfe-Dokus etwa mit Ingo Zamperoni kam Juliane von Schwerin der Gedanke: „Wie könnte Tanit Koch mit ihrem Profil mal was bei uns machen? Sie hat sich schon immer sehr kritisch mit den Öffentlich-Rechtlichen auseinandergesetzt. Warum ihr also nicht anbieten: Mach’s halt besser?“

If you can’t beat them, join them – das ist eigentlich immer schlau. Andererseits fühlen sich diejenigen bestätigt, die den NDR eben nicht so super politisch divers aufgestellt finden und sich fragen: War denn im eigenen Laden wirklich niemand mit einem konservativen Profil zu finden?

Zusammen, aber doch getrennt

Auch Tanit Koch soll anfangs skeptisch gewesen sein: „Juliane, das kriegst du doch bei dir nie durch, jemanden wie mich von der Bild-Zeitung.“ Doch, es ging. Und nach eigenen Angaben ohne interne Widerstände. Koch soll nicht nur moderieren, sondern auch redaktionell mitarbeiten. Wer genau zum neuen „Klar“-Team gehört, verrät die Programmchefin nicht. Nur, dass sich Kollegen aus den Landesfunkhäusern bei ihr gemeldet hätten, weil sie Lust drauf hätten und die Rolle des „kritischen Schulterblicks“ übernehmen wollten.

Sie selbst reiste erst vorige Woche zum Bayerischen Rundfunk, um mit den „Kollegen“, also Informationsdirektor Thomas Hinrichs und Chefredakteur Christian Nitsche, zu besprechen, wie sie die weitere Zusammenarbeit organisieren und „ein gutes journalistisches Produkt draus machen“. Im Neuen Jahr wolle man „zügig starten“. Gemeinsam. Aber halt doch getrennt.

Fasst man zusammen: Auf Juliane von Schwerin kommt eine Bewährungsprobe zu, die Auswirkungen auf ihre künftige Karriere haben könnte. Idealerweise im positiven Sinne.

Sie ist Anfang 50. Dass sie in der NDR-Hierarchie durchaus noch etwas reißen möchte, machte sie mit ihrer Bewerbung für das höchste Amt klar, die in diesem März publik wurde. Viele im Sender tippten, ja hofften auf sie, weil sie fanden, dass es erstens endlich mal Zeit wäre für eine Frau an der Spitze der zweitgrößten ARD-Anstalt mit bislang ausschließlich männlichen Intendanten in der Ahnengalerie. Zweitens ist sie ein NDR-Gewächs mit breitem Netzwerk und Führungskompetenz. Doch Wochen vor der Wahl (die bekanntlich im ersten Anlauf im Chaos endete) zog sich die Kandidierende freiwillig aus dem Rennen zurück.

Gut möglich, dass sich Juliane von Schwerin keine realistischen Chancen ausrechnete, weil der Verwaltungsrat jemanden ohne ARD-Stallgeruch wie die Verlagsmanagerin Sandra Harzer-Kux favorisierte. Über ihr Rückzugsmotiv gibt sie zu Protokoll: „Ich wollte weiter nah am Programm, an den Inhalten sein.“

Und dann schließt sie eine Liebeserklärung an die Öffentlich-Rechtlichen an, die wir hier, um die Reading-Time nicht überzustrapazieren, eindampfen müssen auf die Kernaussage, dass sie es als „ein wirkliches Privileg“ empfinde, für ein System zu arbeiten, „in dem wir unabhängig publizistische Inhalte produzieren können, in allen Genres, frei von wirtschaftlichen Zwängen, frei von Einflussnahme. Als ein Rundfunk, der allen gehört“.

Warum nur fällt es offenbar vielen Menschen so schwer, das zu glauben?