© ABC
Und wieder einmal bediente sich ein amerikanischer Sender einer australischen Formatvorlage. Nach dem Drama-Serienflopp "The Slap", welches vor einigen Wochen auf NBC startete, versuchte sich ABC am 1. März an einer neuen Thriller-Serie namens "Secrets and Lies", die wochenlang auf dem Disney-Sender mit Trailern beworben wurde und mit einem Top-Cast auftrumpfen kann. Die Produzenten der Serie konnten Juliette Lewis und Ryan Phillippe gewinnen, die in ihren Hauptrollen allerdings nie so richtig Fuß fassen können, was zum Teil den Skriptautoren angekreidet werden muss. ABC zeigte zur Premiere gleich zwei der bisher zehn bestellten Folgen hintereinander, um den Zuschauer bereits einen besseren Einstieg in den Mordfall und die möglichen Täter zu bieten. Zu Beginn der Pilotfolge wird der Hauptcharakter Ben gezeigt, gespielt von Ryan Phillippe, wie er im Regen durch den Wald nach Hause rennt und ganz aufgebracht seine Frau antrifft. Ben machte während des Joggens einen schrecklichen Fund im Wald, der sein Leben für immer verändern soll. Der fünfjährige Nachbarsjunge wird von ihm tot im Wald aufgefunden und schnell stellt sich heraus, dass es sich um einen Mord handelte. 
© ABCDie zuständige Morddetektivin Andrea Cornell, die von Juliette Lewis verkörpert wird, beginnt ihre Ermittlungen mit einem Besuch in Bens Haus und ab dem Zeitpunkt will Cornell den Gedanken nicht loswerden, dass Ben der Mörder ist oder dass er zumindest mehr weiß als er preisgibt. Offensichtlich soll Cornell eine emotionslose, taffe und kaltherzige Detektivin mimen, die trotz widersprüchlicher Fakten meist aus dem Bauch heraus entscheidet und Ben als Hauptverdächtigen einfach nicht aus den Augen lassen will. Sämtliche Hinweise auf mögliche andere Verdächtige nimmt sie zwar zur Kenntnis, doch am Ende liegt ihr Fokus immer wieder auf Ben, der sich schrittweise in immer mehr Widersprüche verwickeln lässt. Ben führte bis zum besagten Tag des Mordes ein offenbar idyllisches Vorstadtleben und lebte mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern glücklich und zufrieden in einem Einfamilienhaus. Doch im Laufe der ersten beiden Folgen stellt sich heraus, dass doch nicht alles eitel Sonnenschein im Leben des Malermeisters war. Offensichtlich kriselte es zwischen Ben und seiner Frau seit Jahren, da auf Grund eines DNA-Tests herauskommt, dass Ben der Vater des ermordeten Nachbarjungens ist und er somit vor vielen Jahren eine Affäre mit der Nachbarin hatte. 
© ABCNach und nach kommen immer mehr Geheimnisse ans Tageslicht, die Ben in die Bredouille bringen und die für Detektivin Cornell gefundenes Fressen sind. Es dauert nicht lange bis unzählige Journalisten und Kamerateams Tag und Nacht vor Bens Haus lauern und ihn aggressiv mit Fragen belästigen. Diese Szenen sind beispielhaft dafür, dass sich in Secrets and Lies immer mal wieder kleine Realitätsfehler einschleichen, da die Journalisten unentwegt das Grundstück von Ben und seiner Familie betreten und ihn bis zur Haustür verfolgen, was gesetzlich gar nicht erlaubt ist. Auch wenn der Mordfall an sich spannend aufbereitet ist und sich bei den Ermittlungen immer wieder unerwartete neue Wendungen ergeben, haben die Produzenten leider doch ein wenig zu sehr in die übertriebene Thriller-Trickkiste mit zu vielen Soap-Opera-Elementen gegriffen. Ryan Phillippe ist neben seinen Schauspielfähigkeiten auch für seinen perfekt durchtrainierten Körper bekannt, der ab und zu auch in "Secrets and Lies" gezeigt wird, was für den ein oder anderen Zuschauer sicherlich ein Augenschmaus sein mag, doch den Mordfall und Inhalt der Serie freilich kein Stück weiterbringt. 
© ABCVerglichen mit der AMC/Netflix Serie "The Killing", die einen ähnlichen Erzählansatzpunkt hatte, fällt das ABC-Format in Bezug auf Schauspielleistung, Skript und Kinematographie komplett ab. Aber wenigstens versprach die Produzentin Barbie Kligman, dass das "The Killing"-Desaster der ersten Staffel bei "Secrets and Lies" nicht passieren wird. Die erste Staffel von "The Killing" endete damals völlig überraschend mit einem Cliffhanger, obwohl dem Zuschauer versprochen wurde, dass der Mordfall aufgelöst wird. Interessanterweise war die Gesamtzuschauerzahl mit 5,83 Mio. recht akzeptabel für die ersten beiden Folgen von "Secrets and Lies", doch in der werberelevanten Zielgruppe der 18-49 Jährigen gab es ein böses Erwachen, da das Rating bei gerade einmal 1,5 lag. Acht Folgen stehen noch aus bis zum Finale und selbst der Cast weiß nicht genau, wie das Finale aussehen wird. Produzentin Kligman verriet in einem Interview, dass mehrere Versionen gedreht wurden und erst am Abend der Finalfolge herauskommen wird, wer der Mörder war. In einer möglichen zweiten Staffel soll ein komplett neuer Mordfall behandelt werden, in dem aber weiterhin die Detektivin Andrea Cornell im Mittelpunkt stehen soll. Ob es allerdings dazu kommen wird, ist mehr als fraglich.
© ABC
