PresseratNeben der Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Mediengeschehen hat sich der Deutsche Presserat während seiner Sitzungen am Dienstag und Mittwoch dieser Woche auch mit der Berichterstattung rund um die tragischen Ereignisse in Winnenden im März auseinandergesetzt. Nach der Prüfung von insgesamt 47 Beschwerden wurden zwei öffentliche und eine nicht-öffentliche Rüge gegen Produkte aus der "Bild"-Gruppe ausgesprochen.

Eine öffentliche Rüge erhält "Bild" für die mehrseitige Berichterstattung unter den Überschriften "Seid ihr immer noch nicht tot?"  und "Wie wurde so ein netter Junge zum Amokschützen?". Die Darstellungen des Täters und der Tat in Fotomontagen und Grafiken ist dem Presserat zu Folge "unangemessen sensationell". Auf einer Abbildung werde der Täter in einer Heldenpose gezeigt, eine Grafik, die eine konkrete Szene der Tat nachzubilden versucht, ist für den Ausschuss mit Blick auf die Hinterbliebenen unangemessen sensationell. Da diese Grafik auch bei "bild.de" zu sehen war, erhält auch dieses Angebot eine öffentliche Rüge.
 

 
Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten sieht der Presserat zudem in der Abbildung dreier Fotos verletzt, auf denen unter anderem das Portrait eines Opfers, ein Jugendlicher, der von einer Betreuerin getröstet wird und Schüler der Nachbarschule identifizierbar gezeigt werden. Die Darstellung des Opfers "ist nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt", so der Presserat.

Eine nicht-öffentliche Rüge spricht der Presserat für den Umstand aus, dass "bild.de" unter der Überschrift "Diese jungen Leben hat er ausgelöscht" Vor- und Nachnamen mehrerer Opfer genannt hat, wodurch das Gremium ebenfalls eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Opfer und der Hinterbliebenen sieht. Von den insgesamt 47 Beschwerden, von denen einige mehrfach eingebracht wurden, erwiesen sich in den Augen des Presserats 19 als unbegründet. Neun Entscheidungen wurden vertagt.

Auch abseits der Berichterstattung über Winnenden bekam "Bild" noch weitere Rügen aufgebrummt. Bei der Berichterstattung über einen Mordprozess hat die Zeitung identifizierbare Bilder von Opfer und Täter gezeigt. Mit dem Satz "er ist ein eiskalter Killer" habe zudem eine auf den Vorsatz abzielende Vorverurteilung stattgefunden, die der Unschuldsvermutung widerspreche. Eine weitere öffentliche Rüge gab es für "Bild", weil in einem Bericht über einen vermuteten Straftäter an einer Schule die Schulleiterin wörtlich zitiert wurde, ohne dass erkennbar gemacht wurde, dass die Zitate aus einer anderen Zeitung stammten.

Die "Sächsische Zeitung" erhält eine nicht-öffentliche Rüge, da sie bei der Berichterstattung über die Tötung eines achtjährigen Mädchens Name und Foto des Täters veröffentlichte, dessen Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse jedoch überlagert hätte, so der Presserat. Eine weitere nicht-öffentliche Rüge geht an die "taz", die bei einem Bericht über eine innenfamiliäre Kindesentführung lediglich die Mutter hat zu Wort kommen lassen, ohne den Vater zu seiner Sicht der Dinge zu befragen. Hierin sieht das Gremium eine Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflicht.

Wegen einer Verletzung des Trennungsgebots, dem zu Folge redaktionelle und werbliche Inhalte klar erkennbar voneinander getrennt zu bleiben haben, handelten sich die Zeitschriften "In", "Myself" und Prisma" eine Rüge ein. In der "In" sprach Verona Pooth allzu lobend über ihre neue Kosmetik-Linie, die in einem Infokasten zudem ausführlich vorgestellt wurde. In einem Bericht über Frisurenstyling wurden bei "Myself" zwei Produkte hervorgehoben und in der "Prisma" wies ein Experte für Pflanzenheilkunde loben auf ein Produkt hin, auf dessen Internetseite der gleiche Experte für das Produkt wirbt.

Abseits der Winnenden-Berichterstattung kümmerte sich der Beschwerdeausschuss des Presserats bei seiner vergangenen Sitzung um 129 Beschwerden. Neben sechs öffentlichen und fünf nicht-öffentlichen Rügen wurden auch 23 Missbilligungen und 18 Hinweise ausgesprochen. In 50 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen. In sechs Fällen wurde trotz einer begründeten Beschwerde auf Maßnahmen verzichtet, eine Beschwerde war nicht aufklärbar. Auch hier lagen teilweise mehrere Beschwerden für die gleichen Fälle vor und wurden jeweils nur einmal gezählt.