Foto: WDREs war wohl eine gute Entscheidung der "Zimmer frei"-Redaktion, die bereits im Sommer aufgezeichnete Folge mit Ex-"Titanic"-Chef Martin Sonneborn nicht zu zeigen. Zwar war die Sendung alles andere als uninteressant, aber die Ausgabe in der der Gast sich verweigert, legt die Schwachstellen der mittlerweile in die Jahre gekommenen Show bloß. Die Sendung, die vor rund 500 Folgen im Sommerprogramm des WDR startete und so ziemlich alles gegen den Strich bürstete, was man damals aus dem Fernsehen kannte, ist selbstgefällig geworden und Opfer ihrer eigenen Routine.

Einst verweigerte sich "Zimmer frei" den Sehgewohnheiten und Gepflogenheiten, mit denen prominente Gäste bis dato im Fernsehen empfangen wurden: Ging es bis zum Sommer '96 gesittet bis glatt zu, wurde schließlich Kindergeburtstag gefeiert. Die Sendung wurde zum Must-see-TV auf Schulhöfen und in den Uni-Mensen der WDR-Region. Vor allem wurde sie es, weil sie überraschte, Sehgewohnheiten gebrochen hat und man prominente Gäste so sah, wie noch nirgends. Die Sendung hat Maßstäbe gesetzt für den launigen Talk, in dem sich Moderator und Gast nicht allzu ernst nehmen.
 

 
Doch mittlerweile ist die Sendung mutiert. "Zimmer frei" ist ein stetiger Begleiter am Sonntag-Abend geworden, der konstant und dosiert frech ist. Es ist wie bei diesem coolen Typen, den man kennenlernt, und der auf alles eine Antwort zu haben scheint - bis man merkt: Es ist immer die gleiche. Längst schon überrascht "Zimmer frei" nicht mehr, sondern vermittelt konstant berechenbare Späße, Spielchen und Einblicke in das Privatleben der Gäste. Der Reiz der Sendung lag einst darin, sich als Gast dem Charme der Moderatoren, die sich selbst zum Affen machen, nicht entziehen und damit auf die Sendung nicht wirklich vorbereiten zu können. Doch diese Zeiten sind offenbar vorbei.

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Wo früher das Knacken eines Bruches mit dem Bekannten zu hören war, ist heute allsonntäglich das Quietschen eines Scharniers zu hören, das die Tür zum mittlerweile vertrauten "Zimmer frei"-Kosmos öffnet und einlädt in eine Welt der ritualisierten Regellosigkeit nach Fahrplan. So lange, bis ein Gast kommt, der sich auf das Konzept nicht einlässt. Martin Sonneborn ist mit seinem Auftritt gelungen, wofür die Sendung einst bekannt wurde: Er brachte aus dem Konzept. Blöderweise allerdings die Moderatoren der Sendung. Sonneborns Aufwand dabei war minimal.

Während Westermann und Alsmann immer wieder versuchten, den Gast, der unsicher wirkte und sich nicht öffnen wollte, mit den in zahllosen Ausgaben erprobten Mutmachparolen (Hier dürfen Sie das..., Seien Sie doch mal privat...) auf Linie zu bringen, bleibt der ganz distanziert und entlarvt so die Phrasen und Weichmacher, die mittlerweile nicht mehr anarcho und verwegen, sondern schlichte Moderationsroutine sind.

Die Folge der Verweigerung, bei der Sonneborn seine Gesprächspartner inhaltlich auflaufen lässt, Zitate abstreitet oder schlicht nicht antwortet, da er nicht mit vollem Mund sprechen will: Hilflose Moderatoren, die aus der Rolle fallen. Hatte man in den Anfangsjahren noch das Gefühl, Westermann und Alsmann seien in der Sendung sie selbst und meisterten jede Situation mit Souveränität und Schlagfertigkeit, so scheint in der Sonneborn-Sendung nur noch der "Zimmer frei"-Technokrat durch, der sagt, wie die Sendung zu funktionieren hat.

So erinnert Westermann im Talkteil den Gast daran, warum er eingeladen wurde und was man von ihm erwartet. Als auch das nicht fruchtet, verlässt sie die Szenerie. Bereits nach wenigen Minuten der Sendung schon trug sie offen ihre Abneigung gegen den Gast zur Schau, nachdem dieser sich genüsslich an einem kleinen Lapus ihrerseits geweidet hatte. Es ist die ungewohnt kühle Distanz, die Sonneborn der Sendung entgegenbringt, die die Stimmung kippen lässt - und die Moderatoren springen darauf an. Während gute Laune und Gemeinschaft Konsens sind bei "Zimmer frei", stellt hier einer das Prinzip in Frage und gewinnt nach Punkten.

Denn Alsmann und Westermann haben offenbar vergessen, wofür die Sendung einst stand und können nicht kontern. Stattdessen klammern sie sich an den Ablauf der Sendung, in der man gute Laune haben muss, anstatt sich wie früher von den Fesseln der Form zu befreien und zu schauen, was sonst noch geht. Und selbst wenn man sich dazu entschieden hätte, dass sich jeder den Rest der Sendung still mit sich selbst beschäftigt: Es wäre sicher keine Behaglichkeit aufgekommen, man hätte allerdings auch nicht gemerkt, dass "Zimmer frei" mittlerweile in die Jahre gekommen ist.