Ute BiernatHat die Branche der TV-Produktion die Krise denn schon ausgestanden?

Nein, ich hatte letztes Jahr als wir uns unterhalten haben, den Eindruck, dass es gerade noch einmal gut geht. Jetzt merkt man aber doch noch viel intensiver, dass alle Budgets einmal mehr unter Kostendruck stehen und Entscheidungen, ob überhaupt und wenn ja was produziert werden soll, noch viel länger dauern. Es wird noch weniger in Entwicklung gesteckt. Die Sender wollen noch mehr Sendungen aus einem Produkt rausholen. Es wird noch intensiver an Brands gefeilt, um sie länger am Leben zu erhalten. Und wenn Sie was Neues haben, dann muss das richtige Label für das Format her. Gameshow zum Beispiel - Sie wissen, mein Lieblingsgenre - geht gar nicht.
 
Moment, wie bitte? Gameshows gehen gar nicht? Und das sagt Ute Biernat?

Das sagen die Sender. Das wird als Alte-Leute-Fernsehen abgestempelt. Also verpacken Sie es als Dokusoap und schon läufts wieder (lacht). Das sind alle der Krise geschuldete Maßnahmen. Dabei könnte man gerade jetzt ausprobieren, weil alle anderen Wettbewerber zu erstarren drohen. Wir experimentieren. FremantleMedia in London unterstützt uns dabei. Damit wir Ideen haben, wenn die ersten erkennen, dass Stillstand auch keine Lösung ist. Dann haben wir neue Formate im Angebot.
 

 
Vielleicht schafft es ja auch mal wieder eine deutsche Idee ins Ausland - wenn ich mal ganz wild fantasiere...

Diesem Traum habe ich auch – nur in der Praxis hapert es. Deutsche Ideen, wenn wir denn tatsächlich mal eine umsetzen dürfen und sie auf Sendung kommt, lassen sich meist schwer auf den internationalen Markt bringen, aufgrund der Rechteproblematik. Schlimmstenfalls liegen die Rechte dann beim Sender und der hat in der Regel kein Interesse am internationalen Vertrieb. Das ist eine der Rechte-Fragen, die mich seit über zehn Jahren umtreibt und weswegen ich u.a. auch immer noch in der FRAPA bin.

Aha, da spricht die FRAPA-Chefin...

Ja, und durch das Internet sind diese Verwertungsfragen ja auch im Inland immer relevanter geworden: Wer darf ein Format online auswerten? Wenn wir diese Fragen nicht endlich beantworten, machen wir uns da ein großes Wirtschaftsfeld gar nicht zu nutze und wundern uns, wenn andere das Geld verdienen. Ich will ja als Produzentin nicht gleich alle Einnahmen für mich behalten. Da müsste sich ein Verteilungsschlüssel mit den Sendern finden lassen.
 
Zurück zum Programm. Im vergangenen Jahr galt Sat.1 als Hoffnungsträger mit neuen Impulsen. In diesem Jahr ist es Vox, wo man sich an Großprojekte traut. Ist Frank Hoffmann jetzt ihr neuer Guido Bolten?

(lacht)
Also grundsätzlich gesagt: Man braucht für gutes Fernsehen heute entscheidend mehr Zeit und Empathie. Das sind zwei Dinge, die kann man nicht kaufen. Die hat man oder die hat man nicht. Das gilt übrigens sowohl für die Produktionsseite als auch die Senderseite. Mir tut Sat.1 total leid, weil sie einen guten Ansatz hatten. Aber kaum werden erste Fehler gemacht, kriegt man einen vor die Zwölf. Wo bleibt das Durchhaltevermögen, das Vertrauen in die eigene Arbeit? Und vorallem: Zwei dicke Bäume und eine Tulpenzwiebel macht noch kein Sonnenblumenfeld. Das sieht zwar sehr dekoratv aus, aber wenn ich eine wirkliche Bewegung im Programm will, dann muss ich Masse bewegen und nicht nur hier und da was Neues pflanzen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube diese Gefahr gibt es bei Vox nicht.