TitanicDer April-Titel der "Titanic" löste einen Beschwerdesturm wie selten zuvor beim Deutschen Presserat aus. Das Satire-Magazin hatte auf dem Cover einen katholischen Geistlichen gezeigt, der in Schritthöhe vor dem am Kreuz hängenden Jesus kniet, der im Gesicht dunkelrot angelaufen ist. Titel der Karikatur war "Kirche heute". 198 Beschwerdeführer hatten darin einen Verstoß gegen Ziffer 10 des Pressekodex gesehen, in dem es heißt: "Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen."

Der Presserat teilte diese Auffassung nicht und wies die Beschwerden in seiner Sitzung am Donnerstag zurück. Bei der Karikatur handle es sich um die zugespitzte Darstellung eines gesellschaftlichen Missstandes innerhalb der Institution Kirche und nicht die Schmähung einer ganzen Religion. "Titanic" habe damit lediglich die aktuelle Debatte über den sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener in der katholischen Kirche visualisiert. Einer solchen Kritik müsse sich die Kirche stellen.

Ursula Ernst, die Vorsitzende des Beschwerdeausschusses: "Hier wird nicht Jesus oder der christliche Glaube verhöhnt, sondern das Verhalten christlicher Würdenträger kritisiert, die sich ihren Schutzbefohlenen gegenüber falsch verhalten haben. Eine Kirche, die dies deckt oder nicht genügend zur Aufklärung beiträgt, muss auch mit dieser Art von Kritik leben. In einer Demokratie ist die Pressefreiheit ein maßgebliches Gut, die auch Kritik an ihren Grundpfeilern, wie sie das Christentum in Deutschland darstellt, mit einschließt."

BunteAuch die "Bunte" kam in der Späh-Affäre ohne eine Rüge durch den Presserat davon. Unter anderem hatte sich Franz Müntefering an den Presserat gewandt und sich dabei auf die Berichte des "Stern" über das angebliche Ausspionieren von Politikern im Auftrag der "Bunten" gestützt. Das Verfahren wurde eingestellt, weil sich der Sachverhalt trotz umfänglicher Prüfung nicht habe aufklären lassen, so der Presserat.

Der "Stern" beharrte auf den Vorwürfen, die "Bunte habe Müntefering sowie dessen Frau, aber auch andere Politiker systematisch durch die Agentur CMK observieren lassen. Die "Bunte" bestritt die Vorwürfe, die Agentur CMK wies den Vorwurf, unlautere Methoden angewandt zu haben, ebenfalls zurück. Als sich Unregelmäßigkeiten ergaben, habe sich die Agentur von zwei freien Mitarbeitern sofort getrennt. Letztlich stand somit Aussage gegen Aussage, weshalb der Ausschuss der "Bunten" der Ausschuss der Bunten keinen konkreten Verstoß gegen den Pressekodex vorwerfen konnte.

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Alllerdings mahnte der Presserat noch einmal explizit an, dass die Presse bei der Beschaffung personenbezogener Daten und Bilder keine unlauteren Methoden anwenden darf - und dazu gehören auch dauerhaftes Verfolgen von Menschen, verdeckte Ermittlungen und der Einsatz nachrichtendienstlicher Praktiken, wie sie der "Bunte" vorgeworfen wurden. Außerdem betonte der Presserat, dass sich Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, auch dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex tragen.