Grafik: DWDL.deViel war in den letzten Monaten schon von der Dokusoap-Delle und der Coaching-Krise bei RTL die Rede. Viele, häufig jahrelang erfolgreiche Formate hatten zuletzt mit deutlich sinkenden Quoten zu kämpfen. Von einer Krise will man bei RTL natürlich nichts wissen, hat aber sehr wohl erkannt, dass Veränderungen nötig sind. RTL-Chefin Anke Schäferkordt sprach auf der Programm-PK in Hamburg von "Sättigungseffekten bei konfliktintensiven Real Life-Formaten".

Grund dafür seien die sich ändernden allgemeinen gesellschaftlichen Trends etwa durch die Wirtschaftskrise, durch die sich auch die Zuschauerbedürfnisse ändern würden. "Teenager außer Kontrolle" wird daher vorerst nicht fortgesetzt, "Süchtig" geht nicht in Serie und für "Die Ausreißer" stehen die Aussichten auch nicht allzu gut. An den Klassikern "Raus aus den Schulden" und "Die Super Nanny" wird man aber festhalten und an den Formaten arbeiten.

Dafür will man mit neuen, anders gelagerten Formaten für eine "neue Balance zwischen sozial relevanten Themen" und Themen mit einer "gewissen Leichtigkeit" sorgen, wie Schäferkordt es ausdrückte. Allzu locker-flockig muten die neuen Formate zwar noch nicht an, eine neue Farbe ist aber in jedem Fall zu erkennen. So wolle sich RTL wieder stärker als "Sprachrohr des Bürgers" präsentieren. Dafür gehen die jüngst getesteten Formate "Helena Fürst - Anwältin der Armen" und "Christopher Posch - Ich kämpfe für Ihr Recht" in Serie. Auch sollen "Alltagsthemen" mehr Platz bekommen. Mehr Folgen soll es daher künftig vom "Urlaubsretter" geben, auch die "Versicherungsdetektive", die sich um das Thema Versicherungsbetrug kümmern, ordnet Schäferkordt in diesen Bereich ein. Im Bereich "Real Life" gebe es zudem eine größere Bandbreite an Umsetzungen neben dem Dokusoap-Charakter. Ein Format wie "Einspruch - Die Show der Rechtsirrtümer" zeige, dass man ein solches Thema beispielsweise auch als Show umsetzen könne. Auch Magazine, Reportagen oder Hybrid-Formate seien möglich.

Einen weiteren Trend, den Anke Schäferkordt ausgemacht hat: Humor und Leichtigkeit seien als Abwechslung wieder stärker gefragt. Daher erwarte sie - nicht nur auf RTL bezogen - ein Comeback von Sitcoms und Spielshows. Davon werde man künftig wieder mehr sehen, ist die RTL-Chefin überzeugt. Um darauf reagieren zu können, will RTL in diesem Jahr auch selbst eine neue Comedy-Serie entwickeln. Dabei könne es sich um ein ähnlich wie "Doctor's Diary" positionierte Serie ebenso handeln wie um eine klassische Sitcom. So entwickle RTL erstmals seit Jahren auch wieder an Halbstündern, die bei RTL zuletzt quasi völlig aus dem Programm verschwunden waren.

Ansonsten geht es in der Eigenentwicklung aber vor allem um hochwertigen Krimi-Stoff für den Donnerstagabend. Auch wenn sich RTL mit mittlerweile vier deutschen Serien bestens aufgestellt sieht, reagiert man damit auf einen weiteren von RTL ausgemachten Trend: Hatten amerikanische Serien vor Jahren noch klar dominiert, sei es längst nicht mehr nur die amerikanische Fiction, die von den Zuschauern geschätzt werde.

Und auch im Show-Bereich, der mit Formaten wie "DSDS", "Das Supertalent" oder "Let's dance" bislang stark von Import-Formaten dominiert ist, will Schäferkordt sich stärker vom internationalen Markt emanzipieren und Eigenentwicklungen forcieren, wie das mit "5 gegen Jauch" oder auch Jauchs neuer Show "Alt gegen Jung" schon gelungen sei. Zudem habe man sich zum Ziel gesetzt, neue Moderatoren aufzubauen. Daniel Hartwich, der mit "101 Ways to leave a Game Show" erstmals allein ein Primetime-Format präsentieren darf, ist ein Beispiel, dem weitere folgen sollen. Hartwichs Show wird es zunächst allerdings nur einmal geben - als Fun-Event zum Abschluss des Sommers. Produziert wird im bereits bestehenden Set in Argentinien, was eine kurzentschlossene Fortsetzung zumindest möglich macht. Allgemein ist man bei RTL in Sachen Spielshows aber eher vorsichtig unterwegs: Zu sehr beobachte man in diesem Genre Abnutzungserscheinungen schon nach einer oder wenigen Folgen.

Bei aller Betonung der Bedeutung von Eigenproduktionen: Die US-Serien bleiben ein sehr wichtiger Stützpfeiler des Programms. Doch obwohl "CSI" schon länger schwächelt und "Monk" in den USA bereits beendet wurde und RTL somit nur noch eine überschaubare Anzahl an Episoden zur Verfügung steht: Nachschub kündigte Schäferkordt am Donnerstag noch nicht an. Nur allgemein gab sie als Ziel aus, am Dienstagabend eine weitere US-Serie zu etablieren. Auch wenn man sich auf diese noch nicht festgelegt hat, sieht sich die RTL-Chefin nach eigenen Worten in einer komfortablen Situation.

So habe man in diesem Jahr zum ersten Mal neben 20th Century Fox und Universal auch einen Deal mit Warner. Die Screenings der Piloten seien jedenfalls vielversprechend gewesen. So vielversprechend, dass RTL sich womöglich nicht nur Nachschub für den Dienstag, sondern auch für den Donnerstagabend sichern werde. Bevor Entscheidungen fallen will RTL aber wohl noch sehen, wie die Serien letztlich beim Publikum ankommen werden. Daneben habe man noch drei Serien aus der letzten Saison in Petto, darunter "Royal Pains" und "White Collar". Bei welchem Sender aus der Mediengruppe RTL Deutschland diese laufen würden, sei aber noch nicht entschieden.