Jochen StarkeWas RTL II da am Donnerstagabend per Pressemitteilung verkündete, war schon bemerkenswert, wenn nicht gar einzigartig in der deutschen TV-Geschichte: Nahezu unverblümt gab die Senderspitze zu Protokoll, wie unzufrieden sie mit dem eigenen Programm ist. Man werde ein neues Qualitätsmanagement einführen, um sicherzustellen, dass "die Programme von RTL II künftig in größerem Maße als bisher den qualitativen Ansprüchen gerecht werden, die der TV-Sender mit dem Start seiner neuen Markenpositionierung 'it’s fun' im vergangenen Jahr Zuschauern und Werbekunden versprochen hat."

Auf DWDL.de-Nachfrage wird man beim Sender nochmal deutlicher: "Die jüngsten Unterhaltungformate haben nicht unserem Qualitätsanspruch entsprochen." Es ist offenbar eine Reaktion auf die teils verheerende Resonanz, die die jüngsten Neustarts wie "Das Tier in mir", "Abenteuer Afrika", "Tattoo Attack" oder "Generation Ahnungslos" bei Kritikern ausgelöst hatten. Und wohl noch wichtiger für die Sender-Verantwortlichen: Auch aus Quotensicht waren viele der Formate durchgefallen.

Julia NicolasDie Verantwortung tragen soll nun offenbar vor allem Unterhaltungschefin Julia Nicolas, die den Sender verlassen muss - offiziell natürlich im gegenseitigen und freundschaftlichen Einvernehmen. Als kurzfristige Reaktion will man diese Trennung und die Einführung des neuen Qualitäts-Managements durch einen nicht näher beschriebenen "standardisierten Evaluationsprozess", den alle neuen Formate durchlaufen sollen, beim Sender nicht verstanden wissen. Es sei vielmehr das "Ergebnis seit geraumer Zeit senderintern angestellter Überlegungen, wie unsere Senderpositionierung noch besser mit den Programminhalten in Einklang gebracht werden kann", so Sender-Geschäftsführer Jochen Starke gegenüber DWDL.de.

Doch auch wenn es diesen standardisierten Prozess bisher nicht gab: Wenn die Senderspitze derart unzufrieden mit der Qualität ist, stellt sich doch die Frage, wieso es die Formate überhaupt auf den Bildschirm schafften. Starke: "Ein TV-Sender ist keine Schraubenfabrik, sondern lebt von der Individualität vieler Köpfe – intern und extern. Da braucht es auch kreative Freiräume, wenn man keine Produkte von der Stange produzieren will."

Beim Sender heißt es, dass eine neue Sender-Positionierung, wie sie mit "it's fun" gelingen sollte, natürlich nicht von heute auf morgen umzusetzen sei. Starke: "Ein neues Denken kann man nicht einfach top-down verordnen. Es braucht Zeit, bis das gelebt und dann auch im Programm sichtbar wird. Und unsere „it’s fun.“-Positionierung ist ja nicht nur ein Marketingkonzept, sondern ein tiefgreifender Strategiewechsel." Doch auch in den neu entwickelten Programm spiegelte sich das Konzept für die Senderspitze offenbar zu wenig wider.

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Mit dem Qualitätsmanagement und der personellen Umbesetzung will RTL II daran nun also etwas ändern. Doch zunächst einmal stellt sich die ganz akute Frage, wie mit den derzeit laufenden Formaten verfahren werden soll, nachdem sich der Sender mit der jüngsten Mitteilung quasi selbst von ihnen distanziert hat. Aus dem Programm genommen werden sie - so zumindest der aktuelle Stand - vorerst dennoch nicht, wohl auch, weil es keinen Ersatz gibt. Starke: "Wir werden hier und da Anpassungen vornehmen und in adäquatem Umfang redaktionell nachbearbeiten." Das allerdings dürfte nur noch begrenzt möglich sein, da die Dokusoaps längst fertig produziert wurden.