Amok-Bericht RTL West© Screenshot RTL
"Amoklauf in Köln! Ein Mann verschanzt sich in einer Berufsschule! Spezialkräfte stürmen das Gebäude!" So begann am Dienstag das Regionalmagazin von RTL in Nordrhein-Westfalen - und wohl nur die wenigsten Zuschauer dürften nach den Amokläufen der vergangenen Jahre damit gerechnet haben, dass es sich hierbei bloß um eine Übung handelte.

Das Publikum wurde darüber nämlich erst knapp zwei Minuten nach Beginn der Sendung aufgeklärt, nachdem die Moderatorin zuvor von "schwerbewaffneten SEK-Beamten vor Ort" und einem "plötzlichen Zugriff" gesprochen hatte und der anschließende Beitrag mit dramatischer Musik unterlegt war. "Schüsse, Schreie dringen nach draußen. Das Spezialeinsatzkommando arbeitet sich von Raum zu Raum. Überall im Gebäude kann der Amokläufer lauern", hieß es in dem Bericht.

 

"Der ganze Einsatz wird vom gegenüberliegenden Gebäude von mehreren Fotografen und Kamerateams verfolgt." Bis dann endlich die Auflösung kam: "Das Ganze ist zum Glück - nur eine Übung." Nachdem Journalist Stefan Niggemeier im "FAZ-Fernsehblog" darauf aufmerksam machte, schlug die Art und Weise der Berichterstattung schließlich hohe Wellen. Auf der eigene Website nahm RTL West daraufhin selbstkritisch Stellung zu dem Vorfall. Es sei "unser journalistisches Anliegen, Beiträge so zu gestalten, dass sie von möglichst vielen Menschen mit Interesse verfolgt werden. Relevanz und Akzeptanz ergänzen sich dabei aus unserer Sicht sinnvoll. Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander", schrieb Jörg Zajonc, Programmchef RTL West.

"In der Umsetzung des gestrigen Beitrags über eine Polizeiübung an einer Kölner Schule haben wir diese Balance nicht so gestaltet, wie es unserem Selbstverständnis entspricht." Man habe zu spät deutlich gemacht, dass es sich lediglich um eine Übung handle. "Wir haben uns für diesen szenischen Einstieg als dramaturgisches Element entschieden, da wir offensichtlich die Aussagekraft der Bilder überschätzt haben", so Zajonc weiter. "Auf den Bildern sind SEK-Beamte mit neongelben Warnwesten zu sehen. Für uns Journalisten der klare Hinweis darauf, dass es sich um ein Training und nicht um einen Ernstfall handelt."

Dieses Wissen hätten die Zuschauer "selbstverständlich nicht" gehabt. Man bedauere die entstandenen Irritationen und werde künftig die Berichterstattung zu ähnlichen Themen anders gestalten. Inzwischen ist der Beitrag im Netz nicht mehr zu sehen. Ein Nachgeschmack aber bleibt natürlich: Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität scheinen besonders bei den Privaten immer häufiger aufzuweichen, wie auch der Fall "Millionärin sucht Mann" im Februar deutlich machte. Im Rahmen dieser Wochenserie für das Mittagsmagazin "Punkt 12" wurde dramaturgisch nachgeholfen - zwischen aktuellen Nachrichten und journalistischen Beiträgen (DWDL.de berichtete). Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.