RTL-Chefin Anke Schäferkordt© RTL/Pick
Wahnsinnig starke Marktanteile im Nachmittagsprogramm, berauschender Staffel-Start der Erfolgsreihe "Bauer sucht Frau", und am vergangenen Wochenende rückte Bohlens "Supertalent" sogar in der Gunst des Gesamtpublikums dem Show-Klassiker "Wetten, dass...?" bedrohlich nah. Quotentechnisch herrscht bei RTL also eitel Sonnenschein - dass es hinter den Kulissen jedoch nicht überall mit der Glückseligkeit allzu weit her ist, legt nun ein Bericht im "Spiegel" offen.

Der Artikel stützt sich auf eine Mitarbeiterbefragung des Bertelsmann-Konzerns, welchem die RTL-Gruppe angehört. Im Fokus stehen dabei die Journalisten von infoNetwork, in der die Redaktionen der Nachrichten- und Magazin-Formate der Sender der Mediengruppe RTL Deutschland gebündelt sind. Besonders groß sei der Unmut bei den Mitarbeitern des Newspools, der RTL sowie n-tv mit Nachrichtenfilmen versorgt: Gerade einmal vier Prozent der Befragten gaben dort laut dem "Spiegel"-Bericht an, mit ihrer Vergütung zufrieden zu sein. Michael Wulf, Geschäftsführer des RTL-Tochterunternehmens, versuchte den katastrophalen Wert gegenüber dem "Spiegel" als temporäre Erscheinung darzustellen: Da die Journalisten aus unterschiedlichen Firmen kämen, habe man "noch kein einheitliches Gehaltsgefüge" etablieren können, befinde sich aber im Prozess des Angleichens.

Wann die Anpassung der Gehälter abgeschlossen sein soll und was dies in konkreten Zahlen bedeutet, bleibt dabei natürlich im Unklaren. Die momentane Situation der bei "Newspools" beschäftigten Journalisten wurde dagegen bei einer Betriebsversammlung am vergangenen Dienstag umso deutlicher thematisiert. So betrage der Tagessatz eines Journalisten mit abgeschlossenem Hochschulstudium und mehrjähriger Berufserfahrung gerade einmal 130 Euro, während Cutter bei RTL mehr als das Doppelte verdienten. Deshalb sprach der Betriebsratsvorsitzende unverblümt von einem "Berufszweig im Niedergang". Gegenüber DWDL.de sprach RTL am Montag mit Bezug auf dieses Beispiel von einem Einzelfall. Leserbriefe von RTL-Mitarbeitern widersprechen dem widerum.

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Die Unzufriedenheit der Journalisten über ihr Einkommen geht dabei auch mit Skepsis bezüglich der Wertschätzung im eigenen Unternehmen einher. Jeder Vierte fühlte sich von seinem Vorgesetzten nicht mit dem gebührenden Respekt behandelt; rund 71 Prozent der Befragten schätzten zwar die Aussichten der Firma optimistisch ein, glaubten aber gleichzeitig nur zu 38 Prozent einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Letzteres dürfte vor dem Hintergrund, dass nur die Hälfte der infoNetwork-Mitarbeiter per unbefristeter Festanstellung beschäftigt wird, keine große Überraschung darstellen.

Ähnlich wie Wulf war auch RTL-Chefin Anke Schäferkordt auf Nachfrage des "Spiegel" bemüht, in ihren Äußerungen zu den verheerenden Umfragewerten Gelassenheit auszustrahlen. Man habe nun einmal "Strukturen verändern müssen" und es gebe stets "Einzelne, die sich mit notwendigen Veränderungen eher schwer tun". In Anbetracht der vorliegenden Zahlen dürfte sie mit dieser Ansicht allerdings ziemlich isoliert dastehen. Zudem habe sie selbst in Gesprächen mit den Redaktionen ein ganz anderes Stimmungsbild erlebt, als aus der Umfrage hervorgegangen.

Zu der Einsicht, dass die Journalisten gegenüber ihr als Geschäftsführerin die eigene Meinung nicht so offen darlegen könnten wie eben in einer Mitarbeiterumfrage, scheint Schäferkordt also nicht gelangt zu sein. Auch in diesem Zusammenhang wirkt es äußerst bedenklich, dass Michael Klehm, der als Mitglied des Deutschen Journalisten-Verbandes die RTL-Journalisten betreut, einen deutlichen Stimmungs-Abschwung ausgemacht haben will: "Früher gab es bei RTL ein Family-Feeling. Heute herrscht ein Klima der Einschüchterung und Angst."

Dass Schäferkordt darum bemüht ist, die extrem negativen Ergebnisse der Umfrage zu relativieren, versteht sich von selbst. Zumal gerade RTL trotz hervorragender Quoten im Fokus der zuletzt wieder aufgeflammten Qualitäts-Debatte zu Scripted Reality&Co steht und die Geschäftsführerin selbst erste Adressatin der Kritik ist, wie es zuletzt auf den Münchner Medientagen der Fall war.

Dennoch wäre es kein Zeichen von Schwäche gewesen, eine interne Aufarbeitung der alarmierenden Ergebnisse und eine kritische Selbsthinterfragung seitens der Chefetage anzukündigen. Denn so wirkt es eher routiniert als reflektiert, wenn Schäferkordt die desolaten Umfrageergebnisse als "verständliche Unsicherheiten" bezeichnet und damit keineswegs impliziert, aktiv Maßnahmen zu einer besseren Arbeitssituation für die Journalisten ergreifen zu wollen.
Hinweis: Zunächst war hier allgemein von den Mitarbeitern des infoNetworks die Rede, es geht allerdings nur um die Mitarbeiter des sog. "Newspools", also nur einen kleinen Teil des gesamten infoNetworks. Nach RTL-Angaben arbeiten rund 40 Mitarbeiter im "Newspool", insgesamt aber 600 bei infoNetwork.