Bild: SWR/Rafael KrötzDas Programm öffentlich-rechtlicher Sender und die Sehgewohnheiten jugendlicher Zuschauer - das passt in den Augen vieler einfach nicht zusammen. Um dem entgegenzuwirken, hat der scheidende ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" nun auf die Notwendigkeit eines eigenen Spartenkanals für die bislang nur von wenigen Formaten von ARD und ZDF angesprochenen Teenager hingewiesen: "Wir brauchen einen Jugendkanal, damit wir noch gezielter als bisher nach dem Kinderkanal die jungen Menschen erreichen."

Über das Stadium reiner Gedankenspiele will sich Boudgoust möglichst schnell hinaus bewegen und kündigt im Vorfeld der ARD-Intendantentagung in Berlin an, er wolle zu dem Thema "das Gespräch mit den Aufsichtsgremien und der Medienpolitik suchen, um zu erörtern, was umsetzbar ist." Eine erste grobe Kostenabschätzung hat ebenfalls bereits stattgefunden: Diese beziffert Boudgoust auf einen "höheren zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr." Dabei schwebt dem SWR-Intendanten, der zum Jahresende seinen ARD-Vorsitz nach zwei Jahren turnusgemäß abgeben wird, eine Zusammenarbeit mit dem ZDF vor. Auch in diesem Zusammenhang weist er auf das Modell des Kinderkanals hin.



Angesichts solcher Pläne dürften die kritischen Reaktionen von Vertretern der Privatsender nicht allzu lange auf sich warten lassen - schließlich dauern auch die Kontroversen um den Digitalkanal ZDFneo an. Der Privatsenderverband VPRT hatte dem öffentlich-rechtlichen Kanal vorgeworfen, sich mit TV-Premieren und mehreren US-Serien als gebührenfinanzierter Konkurrent für die Privatsender zu etablieren, der aufgrund der nahezu identischen Programmausrichtung überflüssig sei. Zudem sei die laut Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene Wiederholungsquote, welche die Anzahl der aus dem Hauptprogramm des ZDF übernommenen Formate regeln soll, ebenfalls bislang nicht erreicht worden. Jürgen Doetz, Präsident des Privatsenderverbandes VPRT, ist die zunehmende "Verspartung" von ARD und ZDF generell ein Dorn im Auge: "Wenn man derartige Angebote akzeptiert, machen sie Schule. Das ist das alte System von ARD und ZDF. Bei den Zusatzangeboten hatten sie einmal angefangen mit Kinder- und Informationsprogrammen, gegen die niemand ernsthaft etwas haben konnte. Aber damit war das Tor auf und dann kamen natürlich viele andere Programme hinterher."

Zusätzliche Nahrung dürften Kritiker von Boudgousts Plänen auch durch die jüngsten Aussagen des früheren nordrhein-westfälische Medienministers und heutigen Vorsitzenden des medienpolitischen Expertenkreises der CDU, Andreas Krautscheid, erhalten. Dieser zeigte gegenüber Promedia zwar einerseits Verständnis für die Überlegungen, eine zunehmend heterogener werdende Zuschauerschaft vermehrt über Spartensender anzusprechen, betonte aber gleichzeitig die Problematik dieses Ansatzes: "Wenn irgendwann alle Kinderbeiträge in einem Kinderkanal, alle Kulturbeiträge bei 3Sat oder Arte und die Politik bei Phoenix oder dem Infokanal landen, haben wir am Schluss nur noch Sender, die in ihrer Programmstruktur täglich nur ein Minimum an Nachrichten, aber mindestens ein bis zwei Krimis und schließlich unvermeidliche Talkrunden anbieten. Das ist nicht die Vielfalt des Hauptprogramms, die ich mir auf Dauer wünsche."