Sat.1-Geschäftsführer Andreas Bartl© DWDL/Sat.1
Gibt es einen besseren Zeitpunkt als eine bevorstehende Bundestagswahl, um einen Polittalk zu starten? Nein. Gibt es eine legendärere Polit-Talkerin in Deutschland als Sabine Christiansen? Nein. Gibt es einen angeseheneren Journalisten im Lande als Stefan Aust? Nein. Nun ja, vielleicht. Aber egal. "Ihre Wahl! Die Sat.1-Arena" hatte im Spätsommer 2009 die besten Voraussetzungen. Ein ambitioniertes Projekt mit höchst prominenter Besetzung   - und es scheiterte kläglich. Doch kaum waren im vergangenen Jahr die Wunden dieses Flops verheilt, kam man bei Sat.1 auf die verrückte Idee, noch einmal gegen die Wand rennen zu wollen.

Die Faszination einer Fortsetzung der Tradition des "Talk im Turm" der 90er Jahre scheint vor der Realität zu blenden. Dabei spricht so viel dagegen. Eine im wahrsten Sinne des Wortes gesetzte Gesprächsrunde von gemächlicher Machart, wie sie bei einer Moderation von Helmut Markwort zu erwarten gewesen wäre, auch noch durch Werbung zu unterbrechen, ist schlicht unmöglich. Spätestens dann wären die Zuschauer weg, weil sich Polit-Geplänkel wahrlich nicht als spannender Cliffhanger eignet um ein gebanntes Publikum vom Umschalten abzuhalten. Mit anderen Worten: Polittalks sind fürs Privatfernsehen ungeeignet. Wenn, dann müsste man dem angestaubten Genre schon wirklich Neues bieten, mit mehr Tempo und Dramatik.

 

 

Doch weder Markwort noch die beiden anderen gehandelten Herren, Hans Werner Kilz oder Hajo Schumacher, hätten auf programmliche Innovation hoffen lassen. Und selbst die allein bringt nichts. Interaktion mit dem TV-Publikum versuchten auch schon Aust und Christiansen. Die Absage von Helmut Markwort sollte man bei Sat.1 als Wink des Schicksals verstehen: Lasst es. Rennt nicht noch einmal mit Anlauf gegen die Wand. Es hat schon zweimal nicht funktioniert. Und so ehrenhaft Versuche auch seien mögen, so sinnlos sind sie, wenn man nichts aus ihnen lernt. Die Chance, einen mit einem erfolgreichen Polittalk auf die Marke einzuzahlen, steht in keinem Verhältnis zum Risiko, sich erneut mit Ansage zu blamieren.

Der Kampf um einen Polittalk ist nicht nur ein Kampf auf verlorenem Posten - er ist auch ein Kampf an der falschen Front. Denn niemand verlangt, niemand erwartet ein solches Programmangebot von Sat.1. Da hat der Sender andere Baustellen an denen es wichtiger wäre, sich den Kopf zu zerbrechen. Die deutsche Fiction beispielweise. Mit "Danni Lowinksi" und "Der letzte Bulle", aber auch mit "Wanderhure" und "Die Säulen der Erde", hat der Sender im vergangenen Jahr mit der "Farbe deutsch", wie es Senderchef Andreas Bartl nennt, gepunktet und Stärke bewiesen. Aber wo bleibt Nachschub? Von weiteren neuen Serienprojekten ist bislang beispielsweise nichts bekannt.

Allein vom überwältigenden Publikums- und Kritiker-Erfolg von "Danni Lowinski" kann der Sender nicht leben. Filme, egal ob aus Deutschland oder Hollywood, sind zwar gut für die Quote, aber nicht in jedem Fall prägend für Marke und Anspruch eines Senders wie Sat.1. Da müssen Eigenproduktionen ran. Im vergangenen Sommer gab es mit dem Showfreitag schon mal neue Tendenzen. Das gescheiterte "Deutschlands Meisterkoch" und der Absturz ehemals erfolgreicher Sat.1-Marken wie "Hit-Giganten", "Schillerstraße" oder "Genial daneben" haben leider den Schwung genommen, mit dem Andreas Bartl vor einem Jahr bei Sat.1 angetreten ist.

Und statt sich weiter mit den Plänen für einen Polittalk alter Machart zu verzetteln, sollte der Sender lieber an seinen Infotainment-Marken "Akte" und "Kerner" arbeiten. Eines oder sogar beide dieser Formate könnten Plattform sein bzw. werden für gelegentliche politische Talks und Themen. Das ist schon Herausforderung genug. Zusammen mit dem Ausbau deutscher Fiction und dem Finden neuer Leuchtturm-Formate mit denen man den erfolgreichen und immer wiederkehrenden Programmmarken der Kölner Konkurrenz etwas entgegen zu setzen hat. Ein Polittalk gehört nicht dazu.