Mubarak-Rede im heute-journal© Screenshot ZDF
Die Fernsehansprache von Ägyptens Präsident Husni Mubarak habe großes Interesse beim deutschen Publikum ausgelöst. Mit 6,2 Millionen Zuschauern sei "Tagesthemen extra" die meistgesehene Sendung des Tages gewesen. So klingt es, wenn sich die ARD feiert - womöglich zurecht, schließlich war es eine gute Entscheidung, das "Star Quiz" am Donnerstagabend für 25 Minuten zu unterbrechen.

Doch ein wenig kurios mutet das Pressebulletin schon an, das die ARD am Freitag verschickte - erst recht angesichts der zahlreichen Kritik, die in den vergangenen Tagen an der Äygpten-Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen laut wurde. "Klägliches Versagen von ARD & ZDF im Fall Ägypten" attestierte DWDL.de den Sendern bereits nach dem ersten Wochenende der Proteste, später meldete sich auch die "FAZ" zu Wort - und kritisierte ARD und ZDF dafür, eine möglicherweise entscheidende Rede Mubaraks nicht live ausgestrahlt zu haben.

 

Es war ARD aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke höchstpersönlich, der im "Tagesschau"-Blog reagierte und angab, diese Kritik nicht zu verstehen. Oder möglicherweise nicht verstehen zu wollen. "Wir hätten die Rede von Hosni Mubarak am Dienstag live übertragen sollen, heißt es da. Meint der Autor das ernst?", schrieb er erbost. "Das wäre so als wenn wir jetzt jede Rede von Fidel Castro live zeigen würden. Es könnte ja die letzte sein." Und weiter: "Was würden wir denn machen, wenn Husni zwei Stunden lang Parolen absondert – draufbleiben, weil’s so toll ist? Unser Job als Journalisten ist es, zu bewerten, zu gewichten, auszuwählen und nicht einfach laufen zu lassen."

Innerhalb von nur einer Woche hat Gniffke all diese Ansichten über Bord geworfen und fast 20 Minuten lang Mubaraks Rede gesendet, mit all seinen Parolen. Ungefiltert, zunächst unkommentiert. Und ja: Es war toll, auch wenn die Rede - anders als zunächst von vielen Beobachtern angenommen - nicht den erhofften Rücktritt des ägyptischen Präsidenten mit sich brachte. Es war ein Stück Zeitgeschichte, das Millionen Zuschauer dort sehen sehen konnten. Geschätzte zehn Millionen warteten alleine hierzulande der Dinge, denn zu den sechs Millionen im Ersten kamen noch einmal über drei Millionen hinzu, die die Rede im "heute-journal" sahen; auch n-tv, N24 und Phoenix strahlten sie aus.

Den besten Job des Abends machte dabei gewiss Claus Kleber, der sich während Mubaraks Rede immer wieder einschaltete und versuchte, das Gesagte einzuschätzen. "Das ist sicher nicht das, was die Menschen auf dem Platz hören wollen", erklärt er und fügt hinzu: "Im Grunde führt jetzt Hosni Mubarak bei uns Regie, aber das ist die Art, wie diese Nacht nun mal ist." Später, während links im Bild Mubarak und rechts die zornigen Ägypter zu sehen sind, bringt es Kleber auf den Punkt: "Ihr Präsident spricht zu Ihnen live und bekommt überhaupt nicht mit, wie die Stimmung auf dem Platz ist."

Man kann als Zuschauer förmlich spüren, wie Kleber von den Ereignissen auf dem Tahrir-Platz ergriffen ist, wie der Nachrichten-Mann in ihm arbeitet, wie es in ihm sprudelt. "Man hat selten ein Bild gesehen", sagt er, "auf dem das Auseinanderfallen, die unterschiedlichen Realitäten von Regierten und Regierenden so deutlich werden. Das Nebeneinanderher ist genau die Geschichte dieser Nacht." Kaum zu glauben, dass ARD und ZDF den Zuschauern diese Geschichten bislang vorenthalten wollten - in der fälschlichen Annahme, all das würde das Publikum langweilen.

"Das ZDF selbst ist kein Sparten-, sondern ein Vollprogramm", hatte ZDF-Chefredakteur Peter Frey vor wenigen Tagen zu Protokoll gegeben. "Eine Übertragung der elf Minuten langen Mubarak-Rede wäre im übrigen eine Zumutung gewesen." Am Donnerstagabend waren es sogar fast 20 Minuten - und wohl kaum einer der Zuschauer empfand all das auch nur eine Sekunde lang als Zumutung. Im Gegenteil: In solchen Momenten kann das Fernsehen unter Beweis stellen, was seine Besonderheit ausmacht. In diesen Minuten, in denen Freunde, Jubel, Wut und Enttäuschung so eng beisammen liegen, kann Geschichte geschrieben werden. Das Publikum strafte die Fernsehmacher Lügen. Vielleicht haben ARD und ZDF genau das nun doch noch verstanden. Spät, aber nicht zu spät.