"Als ich Sat.1 übernommen habe, habe ich versprochen, ein bestelltes Haus zu übergeben. Ich habe den Eindruck, es ist so weit" - mit diesen Worten kündigte ProSiebenSat.1-TV-Vorstand Andreas Bartl vor rund einem Monat an, die Leitung von Sat.1 nach etwas über eineinhalb Jahren an Co-Geschäftsführer Joachim Kosack abzugeben. Aus seinen Worten spricht eine Selbstzufriedenheit, die schon damals für Erstaunen sorgte - und die mit Blick auf die Quoten heute noch etwas befremdlicher wirkt: Kosack übernimmt den Sender nämlich aus Quotensicht an einem Tiefpunkt.

Nachdem es zwischenzeitlich lange so ausgesehen hatte, als würde Sat.1 sogar auf einstellige Marktanteile zurückfallen, rettete man sich in der Endabrechnung gerade noch auf 10,0 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Wie ernüchternd dieses Ergebnis ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: In den zurückliegenden zehn Jahren gab es gerade mal drei Monate, in denen Sat.1 einen noch schwächeren Marktanteil einfuhr. Im Einzelnen waren das die Monate Juni 2010, Juni 2008 und Juni 2006 - mit anderen Worten: Monate, in denen aufgrund von Fußball-Welt- oder Europmeisterschaften Ausnahmezustand herrschte. In einem "gewöhnlichen" Monat sah es in den letzten zehn Jahren nie schlechter für Sat.1 aus als diesmal.

 

 

Im Sat.1-Programm knirscht es derzeit schlicht an allzu vielen Stellen. Am wenigsten mit einem "bestellten Haus" hat der Vorabend zu tun. Dort hat Bartl zwar noch die Daily "Hand aufs Herz" gecancelt, ist jedoch einen Nachfolger schuldig geblieben. Stattdessen läuft nun das "Sat.1 Magazin" mal wieder um 18 Uhr - mit meist einstelligen Marktanteilen. Noch schlechter ergeht es im Anschluss "Anna und die Liebe": Selbst die Traumhochzeit von Anna - ein Höhepunkt der Geschichte - blieb bei weniger als 10 Prozent Marktanteil hängen. Auch der Hauptdarsteller-Wechsel brachte bislang keinerlei Besserung. Ein ähnliches Bild gibt's auch bei "K11".

Doch auch in der Primetime läuft es alles andere als rund. Montags kann Sat.1 aufgrund der fahrlässigen Vernachlässigung der Serien-Entwicklung in früheren Jahren weiterhin keine dritte deutsche Serie vorweisen. Mehr als die Ankündigung von vier Serienpiloten kann man bislang nicht vorweisen. Stattdessen behalf man sich mit "The Mentalist"-Wiederholungen - und ging sang- und klanglos unter. Nun sollen es mal wieder Filme richten. Ebenso wie übrigens am von Bartl ausgerufenen Show-Freitag, wo Sat.1 schlicht die Shows fehlen. Dort ruhen alle Hoffnungen nun auf dem ursprünglich für ProSieben gedachten Format "The Voice", an dem Sat.1 teilhaben darf. Die eigenproduzierten Filme am Dienstag laufen zwar meist solide, doch mehr auch nicht. Von den starken Quoten vergangener Jahre kann man derzeit nur träumen. Kerners Quiz am Mittwoch schlägt sich in Fußball-freien Wochen ebenfalls solide - doch auch das bringt den Sender nicht nach vorn. Der Versuch einen weiteren Krimi-Serien-Tag ausgerechnet am Donnerstag zu etablieren, wo RTL auf die selbe Programmfarbe setzt, ging bislang grandios schief. Zeitweise musste man sich sogar von kabel eins vorführen lassen, dem man die Europa League aufs Auge gedrückt hatte. Sonntags war "Navy CIS" im Oktober nicht in Höchstform und stellte Tiefstwerte auf und zu allem Überfluss erwies sich auch noch Harald Schmidts Late NIght als Quoten-Desaster. Wenn es dem neuen Sat.1-Chef Joachim Kosack an etwas nicht mangelt, dann sind es die Baustellen, um die er sich zu kümmern hat.

Auch Vox schwach wie lange nicht, Das Erste verharrt auf Allzeit-Tief

Zweiter Verlierer des Monats war Vox. Nach dem ohnehin eher verhaltenen Start in die neue Saison ging es im Oktober nochmal 0,4 Prozentpunkte auf nur noch 7,0 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen nach unten. Im Vergleich zum Vorjahres-Monat betrug der Rückgang sogar heftige 0,8 Prozentpunkte. Der Oktober war für Vox somit der schwächste Monat seit Januar 2009 - und das kommt durchaus etwas überraschend, hat der Sender doch abgesehen vom miserabel laufenden Vor- und Nachmittagsprogramm, mit dem man nun aber schon seit Jahren zu kämpfen hat, auf den ersten Blick keine großen Sorgenkinder im Programm.

Doch einige bislang erfolgsverwöhnte Formate schwächeln. "CSI: NY" liegt etwa montags mit knapp über 10 Prozent Marktanteil immer noch klar über dem Senderschnitt - doch es gab auch schon Zeiten, da konnte die Serie mit Marktanteilen bis 19 Prozent sogar "Wer wird Millionär" überflügeln. Auch "Lie to me", das sonst für Marktanteile weit im zweistelligen Bereich gut war, meldete sich zuletzt nur mit ernüchternden 8,6 Prozent Marktanteil zurück. Von "X Factor" hätte man sich angesichts der deutlich aufwändigeren zweiten Staffel wohl auch etwas mehr erhofft als die 10 Prozent Marktanteil, für die es im Schnitt im Oktober reichte.

Der großen Schwester RTL geht es hingegen weiterhin prächtig - auch wenn man die Rekordjagd im Oktober nicht fortsetzen konnte. So verlor RTL im Vergleich zum September 0,3 Prozentpunkte, im Jahres-Vergleich ging es sogar 0,6 Prozentpunkte nach unten. Doch mit einem Monatsmarktanteil von 18,7 Prozent in der Zielgruppe spielt RTL weiterhin in einer ganz eigenen Liga. Der Vorsprung auf das zweitplatzierte ProSieben beträgt weiterhin mehr als sechs Prozentpunkte. Auch beim Gesamtpublikum war RTL mit einem Monatsmarktanteil von 14,6 Prozent wieder klarer Marktführer.

Auf Platz 2 beim Gesamtpublikum rangierte auch im Oktober Das Erste. Doch zufrieden sein kann man damit bei Weitem nicht: Das Erste verharrte auf dem im September aufgestellten Allzeit-Tief von 11,8 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum. Das ZDF konnte sich im Vergleich zum September zwar leicht erholen, lag mit 11,7 Prozent Marktanteil aber noch hinter dem Ersten - trotz "Borgia", trotz Fußball, trotz Kerkeling. Im Vergleich zum Vorjahresmonat büßte das ZDF sogar satte 0,7 Prozentpunkte ein.  

Wo sind also die Gewinner?

Nachdem nun von so vielen Verlierern die Rede war: Es gab im Oktober natürlich auch große Gewinner. Und die findet man vor allem in Unterföhring: So schlecht der Monat für Sat.1 lief, so zufrieden sein darf man bei ProSieben und kabel eins. ProSieben steigerte sich im Vergleich zum Vormonat um 0,4 Prozentpunkte auf einen Marktanteil von 12,6 Prozent in der Zielgruppe. Das war der beste Wert seit November 2009 - und das, obwohl "V" montags nicht an die Erfolge aus dem Sommer anknüpfen kann, die "Housewives" schwächelten und donnerstags durch den späten "The Voice"-Start die eigentlich im Herbst laufende Castingshow fehlt. Dafür kann man sich inzwischen regelmäßig auf hervorragende Quoten aus dem jahrelang schwächelnden Nachmittag freuen: Die Sitcoms laufen dort prächtig. Ebenso wie am Dienstagabend die "Simpsons", "Two and a half Men" und die "Big Bang Theory" und mittwochs "How I met your mother". ProSieben beweist schön, wie wichtig eine starke Daytime für einen guten Gesamtwert ist.

Richtig gut sah es zudem auch für kabel eins aus. Der Sender erreichte erneut den im August aufgestellten Jahresbestwert in Höhe von 6,5 Prozent in der Zielgruppe. Im Vergleich zum Oktober 2010 war das ein Zugewinn um einen halben Prozentpunkt. Der Sender hat dabei in diesem Jahr eine schöne Entwicklung hingelegt: Von Januar bis Mai gelang es kein einziges Mal, die 6-Prozent-Marke zu überspringen, seitdem liegt kabel eins durchgehend teils deutlich darüber - und hält sich weiterhin klar vor RTL II, das aber immerhin nach dem miserablen September im Oktober wieder 0,2 Prozentpunkte auf 5,6 Prozent Marktanteil zulegen konnte. Hoffnung auf Besserung gibt dabei derzeit vor allem der Blick auf den Vorabend: "Berlin - Tag & Nacht" hat dort eine sehr gute Entwicklung hingelegt und könnte sich - sofern das anhält - in den kommenden Monaten als stabilisierender Faktor erweisen.

 Die Monatsmarktanteile im Überblick

  MA ab 3
+/-
Vormonat
+/-
zum Okt '10
MA 14-49 +/-
Vormonat
+/-
zum Okt '10
Das Erste
11,8 +/-0
-0,1 6,2
+0,3
-0,2
ZDF
11,7
+0,3
-0,7 6,0
+0,2
-0,3
RTL
14,6
-0,2
-0,2 18,7 -0,3
-0,6
Sat.1
9,9
-0,9
-0,3
10,0
-0,9
-0,8
ProSieben
6,8
+0,3
+0,3 12,6
+0,4
+0,6
Vox
5,5
-0,2
-0,3 7,0
-0,4
-0,8
RTL II
3,7
+0,1
+/-0 5,6
+0,2
+/- 0
kabel eins
4,4
+0,1
+0,5 6,5
+0,1 +0,5

Die Spalte +/- gibt die Veränderung im Vergleich zum Vormonat bzw. zum Vorjahresmonat an. Quelle: DWDL-Recherche