Foto: Condé Nast"Vanity Fair" kann nur der eigene Name und Anspruch zum Verhängnis werden. Wer die 330-seitige Erstausgabe vor sich liegen hat, hat viel zu tun. Zumindest dann, wenn er all das auch wirklich lesen will, was das Team um Chefredakteur Ulf Poschardt in die erste deutsche "Vanity Fair" gepackt hat. Und genau darin liegt das Risiko: Für sich sind gleich mehrere Artikel der Erstausgabe sehr lesenswert. Verbunden mit der überschwenglichen Euphorie der Werbekunden (über 130 Anzeigenseiten), die das Volumen des Heftes beachtlich anschwellen lassen, macht es einem "Vanity Fair" allerdings nicht leicht, wirklichen Zugang zu finden zu all den Themen.

Ist "Vanity Fair" eine Wundertüte ohne Inhalt? Ganz gewiss nicht, an Inhalten mangelt es nicht. Eher scheitert man an dem Begriff "Wundertüte": Im Wesentlichen bietet die erste deutsche "Vanity Fair" das, was man im Vorfeld erwarten konnte: Til Schweiger auf dem Cover, eine ausführliche Story zur Geschichte der Zeitschrift mit kleiner Ego-Pflege, etwas Politik für Poschardts Relevanz-Anspruch und die allgemein hin "Vanity Fair" zugeordneten Themen aus Mode, Stil und höherer Kultur.

Die Titelstory über Til Schweiger erstreckt sich über 15 Seiten, bietet einen etwas angestrengten Einstieg in den Artikel, dann aber ein dankbares Interview mit knackigen Aussagen des zuvor schon recht knackig fotografierten Til Schweiger. In der Newsstrecke vor dem Schweiger-Thema wird lässig erwähnt, dass Angelina Jolie und Brad Pitt wohl nach Berlin ziehen - und die Redaktion in Laufweite liege. Solche Eitelkeiten sind im Heft gottseidank nicht zu dick aufgetragen.
 


Michel Friedmans Bericht über sein Treffen mit NPD-Funktionären in Berlin oder das Portrait von Barack Obama, dem ersten schwarzen Präsidentschaftsanwärter in den USA, geben die nötige "intellektuelle Tiefe", die der Verlag im Vorfeld ansprach. Zwar gerät Friedmans Bericht streckenweise genauso zynisch und rabiat wie seine Talkshow - doch mag man es ihm bei dem Thema verübeln? Die größere Sorge bereitet die Frage, ob der "Vanity Fair"-Erstleser mit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit für das Magazin bis Seite 170 durchhält.
 

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Unterteilt ist "Vanity Fair" in die Ressorts Leute, Agenda, Kultur und Stil. Einige wenige kleinere Rubriken sorgen für Kurzweil und amüsieren - wie z.B. der von Tatjana Gsell ausgefüllte Lückentext auf der letzten Seite - sehr. Es zeugt auch von charmanter Bodenständigkeit, dass man allen Ernstes Horoskop und Rätselseite im Programm hat. Allerdings auch erst kurz vor Ende. Immerhin beendet die deutsche "Vanity Fair" ihr Heft damit anders als das amerikanische Mutterblatt. Dort, wie bei vielen US-Zeitschriften üblich, werden auf den letzten Seiten des Heftes reine Textseiten mit Fortsetzungen von Artikeln aus dem vorderen Heftteil gefüllt.

Ein ausführliches Urteil zur neuen "Vanity Fair" im Rahmen einer umfassenden Blattkritik veröffentlicht das Medienmagazin DWDL.de am Nachmittag. 330 Seiten sind zu viel, um schon nach knapp drei Stunden ein tieferes Bild der neuen "Vanity Fair" zu liefern. Ohnehin aber werden erst die kommenden Wochen zeigen, wie die Redaktion mit dem Wochentakt umgehen kann und wie sich Heftumfang, Anzeigenumfang und Einzelverkaufspreis entwickeln.