Foto: Conde NastDer Deutschland-Start der "Vanity Fair" ist ein gefundenes Fressen für Kritiker: Sie würden ihrem Namen nicht gerecht, gäbe es nicht auch am besten Neustart etwas auszusetzen. Doch die Erstausgabe des neuen Gesellschaftsmagazin aus der Haupstadt liefert geradezu eine Steilvorlage - und das obwohl man für einen Euro ein gutes Heft bekommt.

Wer die 330-seitige Erstausgabe vor sich liegen hat, hat viel zu tun. Zumindest dann, wenn er all das auch wirklich lesen will, was das Team um Chefredakteur Ulf Poschardt in die erste deutsche "Vanity Fair" gepackt hat. Und genau darin liegt das Risiko: Für sich sind viele Artikel der Erstausgabe lesenswert. Verbunden mit der überschwenglichen Euphorie der Werbekunden (über 130 Anzeigenseiten), die das Volumen des Heftes beachtlich anschwellen lassen, macht es einem "Vanity Fair" allerdings nicht leicht, wirklichen Zugang zu finden zu all den Themen.
 
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Das Editorial der Erstausgabe von "Vanity Fair"
 
 
Es ist das Verschulden des Verlages, vielleicht auch von Herrn Poschardt, dass die Erwartungshaltung so hochgeschraubt wurde, dass man mit der Erstausgabe nur enttäuschen konnte. Und das obwohl es keine wirklichen Schwächen im Heft gibt. Doch liegt die Messlatte zu hoch, reicht das einfach nicht. Aktuelles findet sich kaum in der ersten deutschen "Vanity Fair" - ein Bezug zur Handball-WM in kürzester Form ist kein überzeugendes Beispiel dafür, wie die Redaktion künftig wochenaktuell berichten will. Wer einen Euro investiert, kriegt also mit der Erstausgabe mehr ein Monatsmagazin als einen Wochentitel.

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Im Wesentlichen bietet die erste deutsche "Vanity Fair" dann auch leider nur das, was man im Vorfeld erwarten konnte: Til Schweiger auf dem Cover, eine ausführliche Story zur Geschichte der Zeitschrift inklusive Ego-Pflege, etwas Politik für Poschardts leider nicht eingelösten Relevanz-Anspruch und die allgemein hin "Vanity Fair" zugeordneten Themen aus Mode, Stil und höherer Kultur. Wo bleiben die Überraschungen? Der Vorabdruck des Tagebuchs der russischen Journalistin Politkovskaja ist nichts, worauf Deutschland gewartet hat.
 
Was Poschardt und sein Team erreichen wollen, wurde mit der Erstausgabe noch nicht eingelöst: Relevanz besitzt "Vanity Fair" nicht. An diesem Punkt stolpert man über das eigene Markenversprechen. Es fällt schwer zu behaupten, dass man nicht sein Vergnügen hat beim Lesen der Erstausgabe. Aber der Name "Vanity Fair" hat mehr erwarten lassen und selbst im vorliegenden Heft wird angesichts der durchwachsenen journalistischen Hausmannskost dann doch ein paar Mal zu häufig der eigene Mythos gepflegt.