Foto: Photocase.comEs ist nicht mehr und nicht weniger als der Ausnahmezustand im amerikanischen Fernsehen und ein Super-GAU für Fans der seriellen Fernsehunterhaltung, dessen Ende nicht absehbar ist. Die Writers Guild of America, Vereinigung der amerikanischen TV- und Hollywoodautoren, hat zunächst am Donnerstag wie erwartet einen Streik angekündigt - und dies am Freitagmittag (Ortszeit) in Los Angeles dann konkretisiert: Bereits ab Montag wird gestreikt.
 
Noch ist nicht bekannt, ob die US-LateNight-Talker am Montag auf Sendung gehen oder sich mit den Autoren solidarisch erklären. Erste Meldungen über den Streik in den USA gibt es dennoch: NBC will laut Informationen des "TV Guide" die zweite Staffel der gerade auch in Deutschland gestarteten Serie „Heroes“ aus aktuellen Anlass bereits Anfang Dezember außerplanmäßig früh mit einem Saisonfinale beenden, falls der Streik länger als einige Tage andauern sollte. Und davon ist auszugehen: Es gibt bislang keinen Termin für die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Writers Guild of America und den Produktionsfirmen bzw. Sendern. Es bleiben noch 48 Stunden um den Streik zu vermeiden.

Für das Medienmagazin DWDL.de analysiert Matt Roush, Senior Critic des amerikanischen „TV Guide“, die aktuelle Situation im US-Fernsehen. Im Rahmen der neuen DWDL.de-Reihe „Ask Matt international“ - in Anlehnung an seine bekannte wöchentliche Kolumne in den USA - haben wir ihn heute Abend angesichts der aktuellen Ereignisse um seine Einschätzung gebeten...

DWDL.de: Matt, der Streik ist nun also angekündigt. Ab Montag sollen die Stifte ruhen und die Tastaturen zumindest nicht mehr zum Schreiben von Gags und Drehbüchern genutzt werden. Welche Auswirkungen wird der US-TV-Zuschauer zu spüren bekommen, wie dramatisch ist dieser Streik wirklich und worum geht es eigentlich?

Foto: TV GuideMatt Roush: "Die Auswirkungen des Streiks hängen von der Dauer ab. Kurzfristig werden die LateNight-Shows die ersten sein, die vorerst vom Sender gehen. Das ist besonders heikel, da der November für die Networks einer der „Sweep Months“ ist, in denen die Sender dazu neigen möglichst viele neue Programmstunden zu zeigen, mit denen sich richtig Geld machen lässt. Dazu gehören die LateNight-Formate.

Es wäre zwar möglich, dass die Hosts ohne ihre Autoren beim StandUp einfach improvisieren, aber sie werden wohl vorerst nicht mehr auf Sendung gehen. Die beiden politischen LateNights „The Daily Show“ und „The Colbert Report“ (beide Comedy Central) würden wohl - auch von mir- am meisten vermisst. Die LateNights der großen Networks werden hingegen, wie auch sonst öfter im Jahr, einfach Wiederholungen zeigen. Die meisten Zuschauer werden es wahrscheinlich nicht einmal merken.

Ich will nicht beurteilen wie lange der Streik dauern könnte, aber wenn die Produktionen für längere Zeit ausgesetzt werden - also Wochen wenn nicht Monate - dann wird der Nachschub an neuen Episoden schon kurz nach dem Jahreswechsel im Januar versiegen. Dass es nicht schon vorher Probleme gibt, liegt allein an den speziellen Programmierungen im Dezember, bei denen die Sender traditionell hauptsächlich auf Wiederholungen setzen.

Im Januar starten zur MidSeason zwar einige schon produzierte neue Formate, die den Stillstand etwas mildern. Aber alle anderen Serien gibt es dann nur noch in der Wiederholung, wenn sie nicht durch ersatzweise programmierte Reality- und Gameshows ersetzt werden. Möglicherweise setzen die Networks auch auf Importware aus Kanada und Europa. Oder sie nutzen die vertikale Integrität ihrer Unternehmen und verschaffen Serien der eigenen kleinen Cable-Sender einen großen Auftritt und holen sie ins Hauptprogramm.

Ein Streik wurde in den vergangenen knapp zwanzig Jahren immer wieder angedroht. Es kam aber seit dem Streik im Jahr 1988 - als ich übrigens anfing über Medien zu schreiben - nie wieder zu einer Beeinträchtigung des Fernsehprogramms. Diesmal ist es dafür so kritisch wie noch nie. Das Nutzungsverhalten des Fernsehzuschauers hat sich in den letzten Jahren dramatisch geändert. Er findet neue Wege seine Lieblingsserien zu konsumieren - über das Internet und auf DVD. Da passen alte Modelle nicht mehr. Gefordert wird von den Autoren deshalb ein fairer Anteil an den Erlösen über neue digitale Plattformen und eine Neuverhandlung der Beteiligung an den Einnahmen durch den DVD-Vertrieb.

Wir befinden uns in einer sehr ernsten Lage und es ist eine Schande für die amerikanische TV-Industrie, dass es dazu kommen musste. In dieser TV-Saison gab es noch nicht einen großen Quotenerfolg und das Letzte, was das US-TV jetzt braucht, ist, dem Publikum einen Grund mehr zu geben sich vom Medium Fernsehen abzuwenden."